Essen. Der Wünschewagen des ASB Ruhr stand coronabedingt zuletzt still. Doch bald will das Team schwerkranken Menschen wieder letzte Wünsche erfüllen.

Ans Meer fahren, durch den Sand laufen, ein Fischbrötchen essen – das wünschen sich in den Zeiten von Corona-Beschränkungen und Reiseverboten viele Menschen. Für manche aber ist dies der letzte Wunsch in ihrem Leben, und der Arbeiter-Samariter-Bund Ruhr hilft, ihn zu erfüllen. Mitunter ist das ein Wettlauf gegen die Zeit, und darum schmerzt es das Team, dass coronabedingt zuletzt auch der Wünschewagen des ASB Pause machen musste. „Aber wir jetzt fahren wir wieder los“, verspricht Amelie Hecker vom ASB.

Auch in den vergangenen Wochen habe man Wünsche erfüllt, digital oder notfalls postalisch. So habe eine Kollegin aus Hamburg Muscheln, Sand und Meerwasser geschickt, um die See zu einer schwer kranken Frau zu bringen; für eine Reise war sie am Ende zu schwach.

Schwimmmeister öffnete das Bad für Vater und Sohn zu Neujahr

Weil sie wissen, dass ihren Fahrgästen oft nicht mehr viel Zeit bleibt, handeln sie schnell. Eine Woche bis zehn Tage vergehen meist zwischen Wunschäußerung und Wirklichwerden, manchmal geht’s noch zügiger: Amelie Hecker erinnert sich an einen erst 33 Jahre alten Mann, der noch einmal mit seinem dreijährigen Sohn schwimmen gehen wollte. „Die Anfrage kam am 28. Dezember, am 1. Januar konnten die beiden schwimmen gehen.“ Ein Schwimmmeister habe das Parkbad in Velbert nur für den besonderen Badegast zu Neujahr geöffnet.

Neben der Fahrt zum Zielort gehört auch das zur Aufgabe des Wünschewagen-Teams: Türen öffnen, Unmögliches möglich machen. Sie fahren nicht nur zum Stadion in Dortmund oder Gelsenkirchen, sie besorgen auch die Karten fürs traditionell ausverkaufte Revier-Derby zwischen Schalke und dem BVB. Die Vereine zeigten Herz für den Fußballfan, der merkt, dass sich seine Spielzeit dem Ende zuneigt.

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80 bis 90 Prozent der Wünschewagen-Fahrgäste lebten schon nicht mehr zu Hause, sondern auf einer Palliativstation oder im Hospiz. Viele seien krebskrank, andere hochbetagt: „Es sind Menschen auf der Schlussetappe des Lebens“, sagt Amelie Hecker. Diesen Gedanken müssten die Betroffenen oder ihre Angehörigen erst mal zulassen, bevor sie die dreiseitigen Wunschunterlagen ausfüllten. Leider sei es auch in Vor-Corona-Zeiten bei aller Eile passiert, dass sie einen Wunsch nicht mehr erfüllen konnten.

Der fragile gesundheitliche Zustand der Fahrgäste sei in der Regel kein Hinderungsgrund: Wohl müsse der behandelnde Arzt bescheinigen, dass der Fahrt aus medizinischer Sicht nichts entgegenstehe. Die Wünschewagen aber seien voll ausgestattete Rettungswagen, ein Rollstuhl sei an Bord und immer führen ein Rettungssanitäter und eine Pflegefachkraft mit – alle ehrenamtlich.

Im Wünschewagen liegt man unter einem Sternenhimmel

Rund 100 Ehrenamtliche tragen das Projekt, Spender und Sponsoren finanzieren alle Fahrten, Eintrittskarten oder wenn nötig Hotelübernachtungen. Etwa wenn ein Italiener ein letztes Mal in die alte Heimat möchte. Roderich Drößer hat dieses Gesamtpaket für die gute Sache im Dezember 2017 bei einer Weihnachtsgala kennengelernt – seit Januar 2018 ist er selbst einer der Ehrenamtlichen. Der 65-Jährige hat keine pflegerische Ausbildung, aber den obligatorischen Erste-Hilfe-Kurs gemacht. Außerdem kann er den Wünschewagen steuern.

Letzte Wünsche wagen mit dem Arbeitersamariter-Bund Ruhr

Eine Kernaufgabe des Arbeiter-Samariterbundes (ASB) ist es, dabei zu helfen, Leben zu retten. Immer wieder müssen die Mitarbeiter aber auch damit umgehen, dass ein Leben nicht mehr zu retten ist. Oft gebe es auf den letzten Abschnitten der Lebensreise noch wichtige Ziele oder Wünsche.

Mit dem Wünschewagen, der seit fünfeinhalb Jahren unterwegs ist, hilft der ASB Ruhr, solche letzten Ziele zu erreichen: Erfahrungen zu machen, die das Leben zwar nicht verlängern, aber bereichern können. Unter dem Motto „Letzte Wünsche wagen“ hat der ASB Ruhr schon über 500 Fahrten durchgeführt.

Der ASB Ruhr ist erreichbar unter: 0201-87 00 121 oder per Mail: Weitere Infos unter:https://wuenschewagen.de/rhein-ruhr

Drößer schwärmt von dem Fahrzeug, das mit einem Sternenhimmel mit Farbwechsler ausgestattet sei, die Bettwäsche ebenfalls in Sternendekor, die medizinischen Geräte versteckt. Das nehme vor allem kleinen Passagieren die Angst, die in dem Auto mit dem Schriftzug „letzte Wünsche wagen“ Platz nehmen. Kinder, die einmal Zeppelin fahren, in einem Rennauto sitzen wollen. „Das kann man nicht einfach wegschlucken. Wir Ehrenamtlichen tauschen uns viel aus...“

An Bord gibt es Medikamente, aber auch eine Bar mit Bier und Sekt

Und sie schaffen so viel Normalität wie möglich: Sie haben Spritzen und Medikamente an Bord, aber auch eine Bar mit Sekt, Bier und Cola. Die Musikanlage liefert den passenden Soundtrack, ob das Tina-Turner-Festival angesteuert wird – oder eben das Meer. Dort geht es mal zu zweit zu einem Essen im Lieblingslokal am Strand, mal folgen dem Wünschewagen sieben Autos, weil an der Nordsee noch einmal ein rauschender Geburtstag gefeiert werden soll.

Um solche Wünsche zu erfüllen zu können, sammeln Drößer und seine Frau Spenden für den Wünschewagen, schaffen Öffentlichkeit für ihr Herzensprojekt. Manchmal gehe es nur an den Baldeneysee oder noch einmal in den heimischen Garten. Ein Abschied von Wiese, Blumen und Erinnerungen. „Wenn wir dann zurück ins Hospiz fahren, fließen auch Tränen.“