Essen. Wer zu schnell fährt, ist schneller seinen Führerschein los, auch in Essen: Die verschärfte STVO sorgt für deutlich mehr drohende Fahrverbote.
Die Diskussion um die verschärfte Straßenverkehrsordnung nimmt an Fahrt auf, und der Verkehrsminister sucht angesichts der Proteste gegen die neuen Tempo-Regeln verzweifelt nach dem Rückwärtsgang. Dabei waren die massiven Konsequenzen absehbar - auch in Essen schlagen sie merklich durch: Die Zahl der drohenden Fahrverbote hat sich binnen kürzester Zeit mehr als verdoppelt, seitdem bei einer Geschwindigkeitsübertretung ab 21 Stundenkilometern auf innerstädtischen Straßen nicht nur 80 Euro Strafe und ein Punkt, sondern gleich auch ein Monat Führerscheinentzug im Raum stehen.
Wie aus einer ersten Bilanz der Essener Polizei hervorgeht, die bekanntlich kurz nach Beginn der Corona-Krise verstärkt auf Raserjagd auf den Straßen zwischen Karnap und Kettwig unterwegs ist, standen nach einem Monat der Kontrollen, bei denen knapp 100.000 Fahrzeuge gemessen und 4614 Verstöße notiert wurden, exakt 141 Fahrer, die sich schon mal nach einem alternativen Verkehrsmittel umschauen sollten. 46 davon, also rund ein Drittel, wurden allein in den wenigen Tagen zwischen dem 28. April, dem Tag der Inkrafttretens der neuen Sanktionen, und dem 2. Mai erwischt. Und das, obwohl in Relation zu den drei Wochen zuvor in diesem Zeitraum eher weniger Fahrzeuge gemessen wurden, sagte Polizeisprecher Christoph Wickhorst am Montag.
Eine detaillierte Auswertung zu den drohenden Fahrverboten steht noch aus
Zum Vergleich: Vor dem Stichtag wurde pro Arbeitswoche das Tempo von 17.500 bis 18.000 Verkehrsteilnehmern kontrolliert, unter den verschärften Bedingungen waren es binnen fünf Tagen keine 14.000. Die Zahl der Regelübertretungen aber blieb in Relation konstant, was für Polizeioberrat Ulrich Sievers, den neuen Chef der Verkehrsdirektion der Polizei Essen/Mülheim, bedeutet: "Wir haben nicht mehr Verstöße, aber die Wirkung ist eine andere." Was heißt: Nicht wenige der Temposünder wären vor der Neuregelung ohne ein drohendes Fahrverbot davongekommen. Wie groß die Gruppe derer ist, kann die Polizei noch nicht sagen. Eine detaillierte Auswertung stehe noch aus.
Wie auch immer die Diskussion um die inzwischen angeblich zu drastischen Strafen schon für Erststünder ausgehen mag - für Sievers ist schon jetzt klar, dass die neue Temporegel auf Sicht für mehr Sicherheit auf den Straßen sorgen kann, zumal überhöhte Geschwindigkeit nach wie vor die Unfallursache Nummer Eins sei: "Vorsätzliche und bewusste Normverstöße sind nicht hinnehmbar. Da, wo wir die Möglichkeit haben, Einfluss zu nehmen, werden wir das tun."
Die Zunahme der zu befürchtenden Sanktionen war absehbar
Ohne die überraschende Scheuersche Verkehrshalse kommentieren zu wollen, war die Zunahme der zu befürchtenden Fahrverbote für den neuen Leiter der Verkehrsdirektion absehbar: "Natürlich war damit zu rechnen, dass die Anzahl in die Höhe geht." Noch skizzierten die Zahlen aber eine erste Tendenz. Belastbar werden sie erst durch einen Vergleich mehrerer Messungen an den jeweiligen Kontrollpunkten.
>>>ZUR PERSON: ULRICH SIEVERS
Früher war er als Schlagzeuger im Einsatz, jetzt gibt er 140 Mitarbeitern den Takt vor: Der 57-jährige Familienvater Ulrich Sievers ist der neue Leiter der Direktion Verkehr bei der Polizei Mülheim/Essen und damit Nachfolger Polizeidirektor Wolfgang Packmohr, der Ende März in den Ruhestand verabschiedet wurde.
Sievers leitete zuletzt beim Polizeipräsidium Bonn die Kriminalinspektion 3, hat sich zuvor aber neun Jahre lang mit Verkehrsthemen befasst, unter anderem in der Arbeitsgruppe "Andere Führungsstrukturen" des Polizeipräsidiums Köln, hier war er für den Aufbau des heutigen Direktionsmodells verantwortlich für die Sparte Verkehr.
Eines von Sievers' Hauptzielen ist es, die Unfallzahlen zu senken, sein persönliches Anliegen, die Prävention zu stärken. "Es ist unumgänglich die Verkehrsteilnehmer, die sich bewusst dem geltenden Recht und den dort festgesetzten Regeln entziehen, entsprechend zu sanktionieren, um so die Sicherheit für alle anderen zu gewährleisten", ist der Polizeioberrat überzeugt. Auch wenn Ulrich Sievers, der nun zwischen Frechen und Essen pendelt, es im Straßenverkehr gerne ruhig angehen lässt, so hört der passionierte Hobbykoch während seinen Fahrten auf der Autobahn am liebsten Heavy Metal.