Essen. Die seit Montag geltende Maskenpflicht wird in Essen offensichtlich sehr ernst genommen. Wer ausschert, muss mit Druck der Mitbürger rechnen.
Bei Bäcker Peter auf der Rüttenscheider Straße bekommt man an diesem Morgen noch mal ohne Maske seine Brötchen - ausnahmsweise. Eine Verkäuferin trägt den Mund-Nasen-Schutz, die andere gerade kurz mal nicht, weil sie anderes zu tun hat als zu bedienen. Zwei Kunden sind im Laden, einer mit, einer ohne. Der mit Maske fragt demonstrativ tadelnd: „Ist doch ab heute Pflicht, oder?“
Ignorieren der Maskenpflicht wird vom Ordnungsdienst moniert, aber nicht bestraft
Ja, ist es, und hier wird auch klar, warum die Maskenpflicht vermutlich problemlos funktionieren wird. Selbst wer die Dinger hasst und selbst Ersatzobjekte wie Schals oder Multifunktionstücher nicht mag, wird durch den mehr oder weniger subtilen gesellschaftlichen Druck zum Gehorsam gebracht. Das dürfte sogar besser wirken als die behördliche Anordnung, deren Ignorieren in Essen zwar vom Ordnungsdienst moniert, aber nicht bestraft wird.
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„Die Beachtung der Regelungen sind von den Geschäftsinhabern innerhalb ihrer Geschäftsräume genauso wie die bisherigen Vorgaben zu Mindestabständen, Personenbegrenzungen etc. sicherzustellen“, sagt Stadtsprecherin Silke Lenz. Das wird überwiegend sehr diszipliniert durchgesetzt. „Es gibt hier zwei Regeln, Maskenpflicht und Einkaufswagenpflicht“, bekommt eine Kundin bei Trink und Spare in Rüttenscheid zu hören, die Regel Nummer zwei nicht beachtet hatte. Auf ein „bitte“ wird verzichtet - der Kunde ist nur König, wenn er coronamäßig spurt.
In der Essener Innenstadt lässt eine Verkäuferin im Haushaltswarengeschäft WMF durchblicken, warum sie auf die Regeln pocht: „Wir wollen ja weiter aufmachen dürfen.“ Die Angst, die Lockerungen wieder einzubüßen scheint tief zu sitzen, in jedem Innenstadt-Geschäft wird peinlich auf die beiden neuen Grundgesetze geachtet. Und auch die Menschen scheinen die Masken nun mehr und mehr zu akzeptieren.
Gruppe der Dauer-Mundschutzträger wächst täglich
Zwei Typen gibt es: Solche, die auch draußen mit dem Mundschutz herumlaufen - dies Gruppe wächst täglich und dürfte inzwischen in der Innenstadt mehr als ein Drittel der Passanten ausmachen. Und dann die anderen, die sich das Stück sofort vom Mund reißen, wenn sie einen Laden verlassen.
Zu den letzteren zählen einige, die sich lieber leichte Schals und Multifunktionstücher ins Gesicht wickeln und der Zumutung Mundschutzpflicht so zumindest das medizinische Aussehen nehmen. In Heisingen hat sich ein Senior sogar ein Zewa-Tuch mit Gummis vors Gesicht gehängt. Hoffentlich nützt es.
Problem: Brillenträger leiden unter dem ständigen Beschlagen
Horst Kröll wartet am Busbahnhof in Kupferdreh auf den 180er nach Burgaltendorf. Der 65-Jährige trägt eine selbstgemachte Maske. Seine Tochter hat sie genäht und gleich die ganze Familie eingedeckt. Denn in den Geschäften waren keine zu bekommen. „Immer wenn ich sie zu lange trage, beschlägt die Brille“, berichtet Horst Kröll. Vermutlich lächelt er dabei unter seiner Maske.
Getragen habe er sie schon, bevor es Pflicht wurde. „Immer dann, wenn ich das Gefühl hatte, dass es mir zu voll wurde.“ Dass er sie nun tragen muss, wenn er mit Bus und Bahn unterwegs ist oder in ein Geschäft geht, kann der Burgaltendorfer nach eigenen Worten nachvollziehen. Er halte es mit Bundeskanzlerin Angela Merkel, die vor allzu voreiligen Lockerungen gewarnt hatte.
Ruhrbahn-Fahrer können selbst entscheiden, ob sie Maske tragen
Während Horst Kroll noch auf seinen Bus wartet, fährt der 177er nach Steele ab. Fünf oder sechs Fahrgäste sind an Bord. Alle tragen Masken. Das deckt sich mit der Auskunft der Ruhrbahn, die auf Anfrage erklärte, fast alle Kunden würden die Maskenpflicht respektieren, Mitarbeiter seien unterwegs, um Leute anzusprechen, die keine Maske tragen und ihnen, wenn nötig, eine auszuhändigen. Nur der Busfahrer hat sein Gesicht nicht bedeckt. Die Ruhrbahn überlässt es den Fahrern selbst, ob sie sich schützen wollen oder nicht.
Oben auf dem Bahnsteig wartet Ghadam Abas auf die S-Bahn. Auch sie trägt eine Maske, um sich selbst, aber auch andere zu schützen sagt sie. Für Lockerungen sei es noch zu früh, findet sie. Ein Mitarbeiter der Bahn tauscht derweil die Mülltüten der Abfalleimer aus. Auch er trägt eine Maske.
Ziemlich einhellige Meinung: Die Masken sind lästig, aber offenbar nötig
So wie die beiden Fahrgäste am Kupferdreher Verkehrsknotenpunkt sehen es viele. Das Tragen einer Maske, die Mund und Nase bedeckt, sei zwar lästig, aber wohl nötig. So sieht es auch Melanie Lang, die vom Einkaufen bei Aldi kommt und ihren kleinen Sohn auf dem Arm trägt. Sie trägt eine Maske, der Junge nicht. Pflicht ist es aber einem Alter von acht Jahren. „Ich akzeptiere das“, sagt die sechsfache Mutter zur Maskenpflicht. Sie vertraue den Experten. Auch den Ruf nach Lockerungen sieht sie kritisch, auch wenn vor allem die Kinder unter den Einschränkungen leiden müssten.
Elisabeth Heidemann hat sich vor der Post in die Schlange der dort Wartenden eingereiht. „Ich musste noch einmal zurück nach Hause, weil ich meine Maske vergessen hatte“, erzählt sie. Den Mund- und Nasenschutz empfinde sie als ungewohnt. Bislang habe sie auf das Tragen eine Schutzmaske verzichtet wie so viele. „Aber die Leute werden sich schon daran gewöhnen.“ So auch sie selbst.
Mehr Entscheidungsfreiheit nach schwedischem Muster
Ja, Einschränkungen seien sinnvoll, sagt Elisabeth Heidemann. Sie selbst würde sich allerdings mehr Entscheidungsfreiheit wünschen. Dem Modell in Schweden, wo der Staat seine Bürger in die Pflicht nimmt, indem er an das Verantwortungsgefühl appelliert, könne sie etwas abgewinnen.
Deutschland geht einen anderen Weg. Bei Edeka in Überruhr weist die Kassiererin eine Kundin freundlich, aber bestimmt daraufhin, dass sie auch die Nase bedecken müsse. Die ältere Dame hatte ihre Maske etwas tiefer gezogen, weil es ihr sichtbar schwer fiel, darunter zu atmen. Bevor sie ihre Nase wieder bedeckt, holt sie noch einmal tief Luft.
„Zutritt nur für 2 Personen. Abstand von 2 Metern halten“ steht an dem arabischen Mini-Supermarkt im Nordviertel. Vor der Kasse hängt eine Plexiglasscheibe. Soweit vorbildlich. Aber mancher Kunde, der hier einkauft, trägt noch keinen Mundschutz - oder nur um den Hals. Der Inhaber verweist darauf, dass er verschiedene Atemschutzmasken verkaufe, ein bis zwei Euro pro Stück. Manchen sei selbst das zu teuer, und viele deckten sich erst heute damit ein. Wie die Mutter mit der kleinen Tochter, die gleich eine Handvoll Masken in ihren Korb legt. Anderen habe er schon Masken verschenkt: „Was soll ich sonst tun? Meine Kunden rauswerfen?“
Einzelhandelsverband ist froh, dass die Mundschutzpflicht für Mitarbeiter Ausnahmen zulässt
Der Einzelhandelsverband hat bislang keine Beschwerden erhalten, sagt Geschäftsführer Marc Heistermann. Man sei aber froh, dass Mitarbeiter in den Geschäften von der Pflicht ausgenommen seien, sofern es „gleich wirksame Schutzmaßnahmen wie eine Abtrennung durch Glas, Plexiglas oder ähnliches“ gebe, wie es in der Verordnung des Landes heißt. „Es ist etwas anderes, die Maske nur kurz zu tragen oder über viele Stunden in geschlossenen Räumen“, so Heistermann. „Für die Mitarbeiter ist das sehr belastend.“
Mundschutzpflicht - das schreibt die NRW-Regelung vor
Die Maskenpflicht gilt nach einer Anordnung der Landesregierung für Kunden und Mitarbeiter in Ladengeschäften und Ausstellungsräumen, auf Wochenmärkten und in Einkaufszentren und in Bussen und Bahnen. Ferner gilt Mundschutzpflicht bei der Abholung von Speisen und Getränken und nicht zuletzt in Arztpraxen und anderen medizinischen Einrichtungen.
Bei Handwerks- oder Dienstleistungen muss Maske getragen werden, wenn der Abstand zum Kunden von 1,5 Metern nicht eingehalten werden kann. Die Abstandspflicht gilt generell auch weiterhin im öffentlichen Raum.