Essen. 15 Patienten und 23 Mitarbeiter wurden in der Uniklinik Essen mit Corona angesteckt. Warum die Öffentlichkeit darüber erst spät informiert wurde.

15 Patienten und 23 Mitarbeiter, Pfleger und Ärzte wurden in den vergangenen drei Wochen in der Strahlenklinik der Uniklinik Essen mit dem Coronavirus infiziert. Während sich die Klinikleitung sicher ist, die Infektionskette weitestgehend nachvollzogen und die Situation unter Kontrolle zu haben, sorgt der Zeitpunkt der Meldung über den Corona-Ausbruch für Irritationen.

Als Jochen A. Werner, Ärztlicher Direktor der Universitätsmedizin, am Dienstagabend schriftlich eine entsprechende Pressemitteilung veröffentlichen ließ und sich die Verantwortlichen der Klinik zunächst keinen Rückfragen stellen wollten, lagen die ersten Ansteckungen in der Strahlenklinik bereits drei Wochen zurück.

76-jähriger onkologischer Patient verstarb mit Coronavirus

Die betroffenen Patienten seien in häusliche Quarantäne entlassen oder im eigens eingerichteten Covid-19-Bereich des Klinikums auf Normalstationen versorgt worden, hieß es. Auch alle positiv getesteten Mitarbeiter der Strahlenklinik sind in der heimischen Quarantäne oder nach ausgestandener Quarantäne und anschließender Negativ-Testung wieder zurück.

Ein 76-jähriger onkologischer Patient der Strahlenklinik jedoch verstarb bei schwerer Herz-Vorerkrankung mit dem Coronavirus. Das Gesundheitsamt der Stadt Essen wurde fortlaufend über die Entwicklungen informiert, sah aber keinen Grund die Fälle dezidiert zu veröffentlichen, da sie nach und nach eingetreten seien und weil es sich bei den Betroffenen nicht nur um Essener handelte.

So erklärt die Uniklinik Essen den Corona-Ausbruch

Am Mittwoch erklärte die Klinikleitung auf erneute Nachfrage unserer Redaktion, dass sie jetzt an die Medien gegangen sei, um ein warnendes Beispiel zu geben, angesichts erster beschlossener Lockerungen.

„Wie vom Bundesgesundheitsminister Jens Spahn mitgeteilt, geht es nun im nächsten Schritt darum, die Kliniken bis zu einen gewissen Grad wieder in den Regelbetrieb zu überführen. In Anbetracht der Besonderheit von SARS-CoV2 und den vergleichsweise deutlich längeren Inkubationszeiten als denen, die wir von der Influenza kennen, erleben wir eine stärkere Beständigkeit der Covid-19-Infektion im Mitarbeiter-und Patientenkreis, und auch dieses gilt es bei den Maßnahmen zu bedenken“, heißt es in einer Antwort an unsere Redaktion.

Ob die Uniklinik Essen über die Infizierung von 38 Menschen mit dem Coronavirus berichtet hätte, wenn es diese politischen Lockerungs-Beschlüsse nicht gegeben hätte, lässt sie unbeantwortet. Nicht auszuschließen ist indes, dass auch zeitgleiche Recherchen einiger Journalisten zur Auslastung und zur Sicherheit in der Uniklinik ausschlaggebend für die Informierung der Öffentlichkeit gewesen seien können.

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Die Frage, wie sich das Virus trotz aller Vorsichtsmaßnahmen so rasant auf der Station ausbreiten konnte, weiß die Klinikleitung hingegen überzeugender zu beantworten.

Zwar müsse in der Klinik für Strahlentherapie schon seit dem 20. März ein Mund-Nasen-Schutz getragen werden, „diese Anordnung ist allerdings nicht in jedem Fall gleichzusetzen mit der Einhaltung dieses Gebotes“. So habe sich bei der Detailanalyse im vorliegenden Ausbruchgeschehen auch gezeigt, dass die Masken im Aufenthaltsraum nicht immer getragen worden sein. Außerdem hätten sich nicht alle Mitarbeiter in ihrem Privatleben streng an die Abstandsregeln gehalten. So hatte etwa eine Mitarbeiterin nach Auskunft der Uniklinik Kontakt zu einem Covid-19-Erkrankten in ihrem häuslichen Umfeld.

Darüber hinaus habe ein Patient, der von Zuhause ins Universitätsklinikum kam, offenbar unbemerkt das Virus in sich getragen.

Ansteckung mit dem Coronavirus über Bindehäute wahrscheinlich

Bereits vor dem Ausbruch wurden von der Klinikleitung diverse Umgangsregeln festgelegt, nicht zuletzt eine klare Untergliederung in einen Covid- und non-Covid Bereich der Universitätsmedizin Essen. „Durch dieses konkrete Ausbruchgeschehen wurde nun entschieden, noch stärker als bisher auf das Tragen von Schutzbrillen in bestimmten Bereichen zu achten.“

Grund dafür sind Untersuchungen, die ergeben haben, dass sich Mitarbeiter, die regelkonform Mund-Nasen-Schutz getragen haben, höchstwahrscheinlich durch den Eintritt der Viren über die Bindehäute angesteckt haben, so die Uniklinik.

Zwischenzeitlich wurden nahezu alle Mitarbeiter der Klinik für Strahlentherapie getestet, „dies allerdings ohne Zwang, die Ablehnung von Testungen sind Einzelfälle“, betont die Uniklinik. „Das Infektionsgeschehen in der Strahlenklinik verdeutlicht die immer gegenwärtige Gefahr der Mitarbeiter- aber auch Patienteninfektion innerhalb eines Krankenhauses. Die vollzogenen Analysen verdeutlichen die das immer vorhandene Risiko der Keim-Einschleppung in sensible Bereiche des Gesundheitswesens“, so Jochen A. Werner.

Wie gefährlich dieser Corona-Ausbruch tatsächlich war, wird deutlich, wenn man bedenkt, dass „alle Patienten der Strahlenklinik Risikopatienten sind. Es handelt sich um krebserkrankte Patienten, die ohne eine adäquate Therapie mit Sicherheit versterben würden. Deshalb behandeln wir die Patienten aktuell nur noch in Einzelzimmern, das Messen der Körpertemperatur wird vermehrt durchgeführt“, versichert die Uniklinik.