Essen. Die Corona-Krise zwingt uns, die sozialen Kontakte einzuschränken. Wie sich das auf uns auswirkt, erklärt Psychotherapeut Elmar Busch aus Essen.
Angst vor der Ansteckung, Einsamkeit in der Isolation, Existenzängste – die Corona-Krise fordert unsere Gesellschaft derzeit besonders. Wie man mit der verschärften Lebenssituation umgehen kann, erklärt der Essener Psychotherapeut und Neurologe Prof. Dr. Elmar Busch.
Wie wirkt sich die aktuelle Situation auf die Psyche der Menschen aus?
Depressionen und Ängste können sich verstärken, aber auch Einsatzbereitschaft, Mut und Kreativität können zu Höhenflügen ansetzen. Es gibt neuen Konfliktstoff, wie wir derzeit in Supermärkten erleben. Aber schwerer wiegt der Stress derjenigen, die unser öffentliches Leben aufrechterhalten. Dazu kommen wirtschaftliche Zukunftssorgen, weil Einkünfte wegbrechen. Die alten Menschen müssen mit der Einsamkeit zurechtkommen, die Jungen werden in ihrer Lebenslust ausgebremst. Für viele ist es eine irreale Situation und das führt untergründig zu einer Verunsicherung. Andererseits können die Menschen jetzt entdecken, wie widerstandsfähig sie in schwierigen Situationen sind.
Gibt es besondere Probleme?
Für die Menschen im Gesundheitssystem ist es eine riesige Herausforderung, zumal sie sich einem Risiko aussetzen. Das kann man nur mit Kriegszeiten vergleichen. Sie brauchen unsere Anerkennung, Respekt und Dank, um durchzuhalten. Aber auch andere Berufe sind extrem gefordert.
Viele Berufstätige werden ins Homeoffice geschickt. Was bedeutet das für die Betroffenen?
Homeoffice ist auf engem Raum schwierig, gerade wenn auch noch Kinder herumwuseln. Es verlangt eine hohe Flexibilität und Anpassungsfähigkeit, um allem gerecht zu werden.
Sollte man den Kindern die Situation erklären?
Junge Menschen verstehen die Welt nicht mehr. Sie können die vielen unterschiedlichen Informationen nur schwer für sich zu Szenarien zusammenfügen. Schon der Klimawandel bedroht ihre Zukunft und jetzt noch dieser unsichtbare Angreifer. Auf jeden Fall sollte man mit ihnen darüber sprechen, damit sie nicht ihre Selbstverständlichkeit und Unbekümmertheit verlieren.
Der Mensch ist ein soziales Wesen...
Am wichtigsten ist deshalb Kommunikation. Die geforderte Einschränkung des sozialen Kontaktes bezieht sich ja nur auf die körperliche Nähe, aber nicht auf Kontakte per Telefon, Chats, Videogespräche oder sogar Briefe. Für jeden ist es wichtig, über seine Situation zu berichten, egal ob es dabei um Stress oder Einsamkeit geht. Wir sollten jetzt sogar mehr in der Familie und mit den engen Freunden kommunizieren, denn dieser Zusammenhalt schafft Entlastung.
Was kann man sonst noch tun?
Alles ist förderlich, was Gemeinsamkeit im Kleinen und Großen stärkt. Ein wunderbares Beispiel dafür sind die allabendlichen Balkonkonzerte und Chöre der Italiener. Wir sollten auch die positive Kraft der Kreativität nutzen: Wenn wir kreativ sind und Neues erfinden, gibt das unmittelbare Befriedigung, entwickelt aber auch unsere Persönlichkeit weiter. So können wir z.B. im Wohnzimmer tanzen, vergessene Kleidung wieder tragen, die Wohnung umdekorieren – es ist so vieles möglich. Insgesamt ist es für uns alle gut, uns nicht mit Schuldzuweisungen aufzuhalten. Eher sollten wir uns eine positive Zukunft nach dieser Coronakrise ausmalen.