Essen. Stadtdirektor und Gesundheitsdezernent Peter Renzel ist in der Corona-Krise gefordert wie noch nie. Er macht das bislang souverän. Ein Porträt.

Peter Renzel hat müde Augen, die Gesichtsfarbe ist wächsern, als die Stadtspitze vergangenen Freitag am späten Mittag zur Pressekonferenz einlud. Die erste Corona-Woche war knochenhart, das sieht man keinem am Tisch mehr an als dem Stadtdirektor und Gesundheitsdezernenten. „Zwei bis drei Stunden Schlaf müssen derzeit reichen“, sagt er. Die ganze restliche Zeit gehört dem Kampf gegen die Verbreitung des Coronavirus. Manche Menschen in herausgehobenen Positionen berichten über ihre 18-Stunden-Tage in einem wichtigtuerischen Tonfall: Seht her, ich arbeite wie ein Berserker, und es macht mir nicht aus. Bei Renzel klingt es normal und uneitel.

Um 6.30 Uhr beginnt der Tageskampf gegen das Coronavirus, gegen Mitternacht endet er

Der 57-Jährige ist einer der entscheidenden Koordinatoren bei der Bewältigung der Corona-Krise in Essen. Er ist morgens um 6.30 Uhr dabei bei der ersten Sitzung des städtischen Lagezentrums, es folgen Sitzungen, Besprechungen, Koordinationsrunden mit Krankenhaus-Chefs, Feuerwehrleuten oder dem Verwaltungsvorstand und nachts sind dann die Mails dran, die am Tag so einlaufen und abgearbeitet werden müssen.

Peter Renzel ist aber auch so etwas wie der städtische Corona-Sprecher. Ein bis zweimal am Tag verkündet er im Netzwerk Facebook die neuesten Zahlen positiv getesteter Bürger und berichtet von den nahezu täglich erweiterten und verschärften Beschlüssen zur Einschränkung des öffentlichen Lebens. Wichtig ist ihm aber beispielsweise auch, stets die Zahl der Bürger zu nennen, die aus der Quarantäne wieder entlassen werden konnten.

Peter Renzel beherrscht die angemessene sprachliche Form

Renzel macht das in einem zwar sachlichen, aber niemals bürokratisch-kühlem Ton, er ist nicht militärisch-knapp, aber andererseits auch nicht geschwätzig. Die Kunst der angemessenen sprachlichen Form, dabei klar im Ausdruck und mit einem Schuss Wärme, ist gerade in Verwaltungen nicht eben häufig anzutreffen. Renzel hat es darüber fast schon zu einer Art Kultfigur gebracht und sammelt täglich den Dank vieler Bürger für seine Informationspolitik ein. Ein seltener Umstand, gerade bei Facebook, wo Amtspersonen und Politiker weit eher beschimpft als gelobt werden.

„Der Tag neigt sich dem Ende zu und wir haben heute viel geschafft, organisiert, entschieden und vorbereitet“, heißt es einleitend im Facebook-Post vom vergangenen Sonntag. Eine typische Renzel-Einleitung. Es folgen viele der oben beschriebenen Details, und dann am Schluss das Mutmachende: „Es ist auch eine tolle Erfahrung in der Stadtverwaltung und mit vielen Partnern, wie sehr wir in unserer großartigen Heimatstadt alle zusammenstehen, zusammenhalten und diese schwierige Zeit gemeinsam hinter uns lassen wollen.“

Meistens gut gelaunt: Stadtdirektor Peter Renzel und OB Thomas Kufen im November 2019 beim Funke-Treff.
Meistens gut gelaunt: Stadtdirektor Peter Renzel und OB Thomas Kufen im November 2019 beim Funke-Treff. © Kai Kitschenberg

Renzel sieht die Stadt nicht als Ansammlung von Individuen, sondern als großes Ganzes

„Gemeinsam“ ist so ein Schlüsselwort bei Peter Renzel, „unsere Stadt“ auch. Der gelernte Sozialarbeiter sieht die Stadt nicht als Ansammlung von Individuen, sondern als ein großes Ganzes, als einen Organismus, den er die Ehre hat mitzusteuern.

Das ständige „Wir“ ist dabei nicht Kalkül, sondern für ihn Weltanschauung und symbolisiert auch offensichtlich echte Liebe. Renzel kann nicht anders. „Ich bin verliebt in meine Stadt Essen.“ Ein großes Wort, das nicht mal sonderlich feierlich rüberkommt. Es stimmt einfach, sagen die, die ihn gut kennen.

Zu schützen und zu dienen - damit ist seine Philosophie gut umschrieben

Wenn OB Thomas Kufen vergangenen Freitag erklärte, es gehe der Stadtregierung darum „zu schützen und zu dienen“, dann ist damit auch Renzels Arbeitsphilosophie gut beschrieben. In den Jahren 2015/16 hat Renzel unermüdlich in über 50 Bürgerversammlungen erklärt, was angesichts der Flüchtlingskrise für die Stadt zu tun war. Lustig war das nicht, aber die Bürger und das Gemeinwesen haben für ihn ein Recht auf vollen Einsatz, und zwar gerade dann, wenn es unangenehm wird.

So ähnlich agiert er auch jetzt, „mit dem Unterschied, dass nun wirklich alle Bürger betroffen sind“, sagt er. Die Verantwortung wiegt schwer, das spürt man. Weglaufen oder Aufgeben wird Renzel nicht, auch das ist klar. Das hat durchaus etwas Altpreußisches, ohne das Zackige, das mit diesem Beamtentypus verbunden war.

Mit dem Bodenständigen ist er aufgewachsen

Das Bodenständige ist Peter Renzel wohl schon in die Wiege gelegt worden. Im August 1962 wurde er in Essen geboren, seine Schullaufbahn begann er an der Adelkamp-Hauptschule in Frohnhausen. Bis zum Stadtdirektor ist es da ein weiter Weg. Früh kam Renzel in Kontakt zur christlichen Soziallehre, die bis heute der entscheidende Kompass für ihn ist.

Auf das Studium der Sozialarbeit folgte eine erste Anstellung beim Sozialdienst katholischer Frauen, und schon zwei Jahre nach Dienstantritt führte Renzel dort die Geschäfte, weil sein organisatorisches Talent offenbar auffiel. Danach ging es nach oben: Hauptamtliche Verbandsarbeit bei der Caritas, Leiter des Jugendamtes der Stadt Essen, Dezernent für Bildung und Soziales, seit Dezember 2019 dann Stadtdirektor. Ehrenamtliche Mitarbeit in zahlreichen Gremien für Soziales, Pflege und Jugend sowie die CDU-Mitgliedschaft ab 1993 dürften auf diesem Karriere-Weg flankierend hilfreich gewesen sein.

Auch in das OB-Amt wäre Peter Renzel hineingewachsen

Auch als OB-Kandidat in der Nachfolge Wolfgang Reinigers war er gehandelt worden, Thomas Kufen hatte dann bei der CDU die Nase vorn. Peter Renzel lässt nicht den Hauch eines Zweifels an seiner Loyalität, aber nicht nur in diesen Tagen kann man sagen: Auch in dieses Amt wäre er hineingewachsen. Es kann jedenfalls nicht schaden, wenn eine Stadt in einer Krise gleich mehrere hat, die besonnen, aber entschieden handeln – und das dann noch gut erklären können.