Essen. Das Stoff- und Gardinenhaus im Essener Nordviertel leistet in Zeiten von Corona Amtshilfe für die Feuerwehr: Das Team näht Atemschutzmasken.
Als Notfallmaßnahme gegen eine Verbreitung des Coronavirus lässt die Stadt Essen aktuell 15.000 Atemschutzmasken nähen: Einige Hundert davon entstehen in einem Fachgeschäft im Nordviertel – in Zusammenarbeit mit Nähgruppen und anderen Ehrenamtlichen. „Wir haben über unsere WhatsApp-Gruppen 50 bis 60 Leute gefunden, die mitnähen“, erzählt Bea Saxe vom Stoff- und Gardinenhaus an der Rottstraße.
Im Handumdrehen ist das Ladenlokal zum Verteiler für die Näherinnen geworden: „Die Ehrenamtlichen kommen morgens und holen Stoff für zehn bis zwanzig Masken, manche schaffen an einem Tag sogar noch mehr“, erzählt Saxes Kollegin Bettina Welling. Genäht wird in Heimarbeit, jeweils allein an der eigenen Nähmaschine. Schließlich sind auch alle Nähkurse abgesagt, um Ansteckungen zu vermeiden. „Ich merke, wie erleichtert die Leute sind, dass sie etwas tun können, dass sie helfen können. Das macht Hoffnung“, sagt Bea Saxe. Auch sie selbst habe am Sonntag bis in die Nacht genäht.
Stadt Essen liefert Nähanleitung für Atemschutzmasken
„Die Anleitung haben wir von der Feuerwehr, die sie schon 2009 zur Zeit der Schweinegrippe entwickelt hatte.“ Die Wehr liefert auch den blauen Baumwollstoff, der bei 60 Grad gewaschen werden kann. Die Masken haben schwarze Bänder zum Befestigen und werden durch einen eingenähten Draht stabilisiert. Die Anleitung findet sich auch zum Selbermachen auf der Homepage der Stadt: https://media.essen.de/media/wwwessende/aemter/0115_1/pressereferat/Mund-Nasen-Schutz__Naehanleitung_2020_Feuerwehr_Essen.pdf
Die Stadt hat auch die Jugendberufshilfe, die Gesellschaft für Soziale Dienstleistungen (GSE) und andere kleine Organisationen mit Schnittmuster und Stoff versorgt. Außerdem werden 12.000 Masken von einer Fremdfirma genäht. Die schneidet nun auch den Stoff für das Stoff- und Gardinenhaus zurecht: ein Meter reiche für 20 Masken.
Mitarbeiter von Pflegediensten brauchen den Mundschutz dringend
Mit dem in Krankenhäusern verwendeten Modellen sei der Mundschutz nicht vergleichbar: „Das schützt weniger den Träger als die anderen: Man hustet Menschen nicht an, fasst sich nicht ins Gesicht“, erklärt Bea Saxe. Vor allem für Mitarbeiter von Pflegediensten, die sich um ältere Menschen kümmern, seien die waschbaren Masken im Notfall hilfreich.
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Das Interesse daran sei groß, erzählen Saxe und Welling. Gerade in der multikulturellen Nachbarschaft im Nordviertel: „Ich hatte hier eine Syrerin, die hat in einer Apotheke 35 Euro für einen Atemschutzmaske gezahlt. Jetzt kommen viele ausländische Pflegekräfte zu uns, holen sich die Anleitung und Stoff und nähen selbst.“
Für viele Nachbarn wird das Geschäft zur Nachrichtenbörse
Für andere Nachbarn, die kaum Deutsch sprechen, sei das Stoff-Geschäft zur Nachrichtenbörse geworden: „Manche haben große Angst. Wenn es im Radio heißt, ,Die Leute machen Hamsterkäufe wie im Krieg’, denken sie, dass in Deutschland Krieg ausbricht.“ Saxe und ihre Kolleginnen erklären dann, was wirklich los
ist.
Und sie nähen inzwischen außer der Auftragsarbeit für Stadt und Feuerwehr auch bunte Atemmasken mit Blumen oder eine Bordüre mit der Essener Stadtsilhouette. „Das ist auch ein Statement: Wir lassen uns nicht unterkriegen.“