Essen. Der Essener Jan Kollenbach verwandelt sich immer wieder mit großer Leidenschaft in die Drag Queen Ms Foxy Bless. Von Zustimmung und Hass.
99 Prozent der Zeit ist er Jan. 22 Jahre alt, Tanz-Student an der Folkwang-Universität. Trägt gerne schlichte, aber schicke Kleidung, Hemd oder Poloshirt mit Jeans, spielt Klavier und Geige. Doch mindestens einmal im Monat verwandelt sich der Essener in ein Pailletten- und Glitzer-geschmücktes Showgirl. Jan Kollenbach ist eine Drag Queen – und sein Alter Ego heißt Ms Foxy Bless.
Zweieinhalb Stunden braucht Kollenberg, um sich in Ms Bless zu verwandeln. Er trägt viel Make-up, falsche Wimpern, eine Perücke, einen BH mit falschen Brüsten aus Silikon, hochhackige Schuhe und ein extravagantes Outfit. Die weiblichen Hüften hat er sich aus Schaumstoffauflagen für Gartenmöbel zurechtgeschnitten. Seine Bühnenoutfits näht er oft selbst.
Drag Queen zu sein bedeutet nicht, tatsächlich zur Frau werden zu wollen
Als Ms Bless tritt Kollenberg auf privaten Feiern und Events wie Essen on Ice und dem Essener Christopher Street Day auf, vor allem mit Playback-Gesang und viel Tanz. Über Facebook und Instagram kann man ihn „buchen“. Das musikalische Repertoire reicht von Baccaras „Sorry I’m a Lady“ über „Zucker“ von Peter Fox und „Zu Asche, zu Staub“ aus der Zwanziger-Jahre-Fernsehserie „Babylon Berlin“.
Was vielen nicht klar ist: Travestie hat nichts mit Geschlechtsidentität zu tun. Sich als Frau zu verkleiden, bedeutet für Kollenbach nicht, eine Frau sein zu wollen. „Ich bin als Cis-Mann sehr zufrieden“, sagt der 22-Jährige. „Cisgender“ ist ein Begriff für Menschen, die in Übereinstimmung mit ihrem bei der Geburt zugeschriebenen Geschlecht leben. Die Drag-Kultur ist für Kollenbach eine Kunstform, eine Möglichkeit, mit Rollenbildern zu spielen und sie aufzubrechen.
Drag-Kultur verbindet Liebe zu Make-up, Tanz und Bühnenpräsenz
Aber wie wird man Drag Queen? „Ich habe eine große Affinität zu Farben und Formen, habe schon lange getanzt und es geliebt, auf der Bühne zu stehen“, erzählt Kollenbach. Als Drag Queen könne er all diese Neigungen verbinden. Die Verwandlung begann, als er 2015 für ein Jahr nach Berlin zog, um eine Tanzausbildung zu machen. „Dort bin ich mit Make-up überall hingegangen und habe mich sicher gefühlt.“
Irgendwann hätten dann die ersten Freunde gefragt, ob er verkleidet auf ihre Geburtstage kommen könne. Die Geburtsstunde von Ms Foxy Bless. „Die meisten Freunde und Bekannte haben sofort positiv reagiert“, erinnert sich Kollenbach. Aufseiten der Familie gab es auch schwierige Phasen, seine Mutter und sein Bruder seien aber immer große Fans gewesen. Die Menschen auf der Straße dagegen hätten teilweise ablehnend reagiert, wenn er als Ms Bless draußen unterwegs gewesen sei.
„Die Haare, die Klamotten, das ganze Styling ist wie ein Schutzpanzer für mich“
Auch interessant
Das tun sie auch heute noch immer wieder. „Schlampe“, „Schwuchtel“, „Hure“ – all diese Beleidigungen wurden ihm schon hinterhergerufen. Das sei natürlich verletzend, sagt Kollenbach. „Aber die Haare, die Klamotten, das ganze Styling ist wie ein Schutzpanzer für mich. Als Jan würde es mich mehr treffen.“ Ihm sei es wichtig, intoleranten Menschen zu zeigen: „Wir Drag Queens sind ein Teil der Gesellschaft. Und wir gehen nicht weg, weil ihr uns scheiße findet.“
Ob Jan und Ms Bless am Ende zwei verschiedene Personen sind? „Nein“, sagt Kollenbach. Zwar ändert sich sein Habitus, wenn er abgeschminkt und umgezogen ist. Er bewegt sich anders, die Körperhaltung ist eine andere – weniger aufgerichtet, weniger damenhaft-grazil. Aber: „Ich als Mensch lerne unheimlich viel von der Kunstfigur.“ Zum Beispiel, zu sich selbst zu stehen: „Wenn ich geschminkt, mit Perücke und Outfit in den Spiegel schaue, fühle ich mich stark und selbstbewusst.“ Dieses Gefühl übertrage sich auf Jan.