Essen. Kriminalität ging auf breiter Front zurück. Nur die Trickbetrüger, die Senioren um Millionen brachten, legten erschreckende Steigerungsraten hin.
Weniger Wohnungseinbrüche und Diebstähle, Rückgänge bei den Körperverletzungen als auch den typischen Straßendelikten: In Essen ist die Kriminalität im vergangenen Jahr auf breiter Front geschrumpft. Die Zahl aller Straftaten, die der Polizei bekannt geworden sind, ist insgesamt um 4,8 Prozent auf 47.666 und damit auf den niedrigsten Stand seit 29 Jahren gesunken. Klar, dass diese Bilanz für Polizeipräsident Frank Richter eine „ausgesprochen positive Entwicklung“ ist. Dennoch ist der Frust nicht fern: Es sind die falschen Polizisten, die dem Behördenleiter so „große Sorgen bereiten“, dass er ihnen im Verbund mit anderen Polizeipräsidenten den verstärkten Kampf ansagt.
Denn bei den sogenannten „Straftaten zum Nachteil älterer Menschen“ legen die Kriminellen nie dagewesene Steigerungsraten hin, die sich in der offiziellen Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS), die Richter und Kriminaldirektor Christian Voßkühler am Montag im Präsidium vorstellten, nicht wiederfinden. 1654 allein dieser besonders perfiden Trickbetrügereien wurden der Essener Polizei bekannt. Das waren mehr als doppelt so viele als im vergangenen Jahr. Die genaue Schadenssumme kann Voßkühler zwar nicht beziffern, weiß aber, dass bei einem einzigen Essener Opfer sage und schreibe 800.000 Euro erbeutet worden sind. Die Kriminellen, die von Call Centern in der Türkei aus operieren, dürften Senioren in dieser Stadt allein im vergangenen Jahr also um mehrere Millionen Euro gebracht haben.
Behördenübergreifende Ermittlungskommission gegen Trickbetrüger
Deshalb kündigte Richter an, zusammen mit den Polizeipräsidien im Revier eine behördenübergreifende Ermittlungskommission ins Leben rufen zu wollen: „Wir wollen unsere Kräfte über Grenzen hinweg bündeln“ auf einem Kriminalitätsfeld, das nur mit großem Aufwand erfolgreich beackert werden könne.
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Auch wenn die Steigerungsraten bei den Trickbetrügereien immens sind, machen sie nur einen Bruchteil der Gesamtkriminalität in Essen aus - auch bei eben jenen Straftaten, die die Menschen direkt betreffen. Wie etwa die Wohnungseinbrüche, die im vierten Jahr in Folge in 2019 noch einmal zurückgingen von 999 in 2018 auf 934, was eine Abnahme von rund 6,5 Prozent bedeutet. 122 Verdächtige wurden ermittelt, die mit ihren mutmaßlichen Komplizen einen wirtschaftlichen Schaden in Höhe von rund 42 Millionen Euro hinterließen. Während die gesamte Aufklärungsquote des Präsidiums Essen binnen eines Jahres marginal sank und sich am Ende bei rund 57 Prozent einpendelte, wurde allerdings nur etwa jeder neunte Einbruch erfolgreich ausermittelt.
Straßenkriminalität auf dem niedrigsten Stand seit zehn Jahren
Zulegen mit fast Dreiviertel aller geklärten Fälle konnte hingegen die Quote bei der Gewaltkriminalität, die von 2125 auf 1718 Fälle zurückging. Dass die Statistik „nur“ sechs Tötungsdelikte gegenüber 25 dieser sogenannten „Straftaten gegen das Leben“ im Vorjahr auswirft, ist allerdings allein dem Umstand geschuldet, dass etwa ein Dutzend Fälle in 2019 nicht abgeschlossen werden konnten.
Die Delikte der Straßenkriminalität, zu der die PKS unter anderem Vergewaltigungen, Straßen- und Handtaschenraub, Fahrzeugdiebstähle oder auch Sachbeschädigungen im öffentlichen Raum zählt, erreichten durch einen Rückgang um 380 Fälle den niedrigsten Stand seit zehn Jahren. Allein bei den Raubdelikten haben sich die Zahlen im selben Zeitraum mehr als halbiert.
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Das alles führt dazu, dass sich die Essener im Vergleich zu Bürgern vergleichbarer Städte wie Köln, Düsseldorf, Dortmund und Duisburg deutlich sicherer fühlen können. Zusammen mit Mülheim weist Essen die beste Kriminalitätshäufigkeitszahl auf, die ein Indikator für die tatsächliche Gefährdung der Bevölkerung ist.
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Dass die realen Zahlen und das Sicherheitsgefühl in der Bevölkerung allerdings immer weiter auseinander driften, ist für Polizeipräsident Frank Richter kein Beleg für eine mangelnde Aussagekraft der Kriminalstatistik: Die Methodik sei in allen Städten die gleiche und wenn die Zahlen zurückgingen bei einer gleichzeitig „höheren Anzeigebereitschaft“ sei das durchaus ein Ausweis von weniger Kriminalitätsbelastung.