Essen. Filmporträt über Edgar Reitz feiert Deutschlandpremiere in Essen. Regielegende schwärmt von der Lichtburg: „Der Raum hat meine Geister geweckt.“

Seine Heimat ist eigentlich der Platz hinter der Kamera: Dass Deutschlands Ausnahmeregisseur Edgar Reitz die Position ausnahmsweise getauscht hat, ist der Regisseurin Anna Hepp zu verdanken. Die gebürtige Marlerin, die auch in Essen studiert hat, hat mit „800 mal einsam“ eine Dokumentation über den 87-jährigen Filmemacher gedreht, die vor allem eines sein will: Ein Dialog über ein Leben, das vom Film geprägt ist. Und über Filme, die immer auch von den persönlichen Erfahrungen ihres Schöpfers zeugen.

Edgar Reitz: „Dass man plötzlich als Person gemeint ist, das ist für mich fremd“

Zur Deutschlandpremiere im Essener Filmstudio war Reitz am Sonntagabend natürlich persönlich gekommen. Im Gespräch mit der nicht mal halb so alten Anna Hepp gestand der Regisseur dabei auch sein leises Unbehagen über die ungewohnte Rolle: „Ich wollte nie zu denen gehören, die sich zwischen Werk und Publikum stellen.“ Sogar während der Dreharbeiten in der altehrwürdigen Lichtburg habe er sich oft eher in der Position als Regisseur statt als Hauptdarsteller gesehen. „Stimmt der Ton, die Schärfe? Daran habe ich immer gedacht. Dass man plötzlich als Person gemeint ist, ist für mich ganz besonders fremd“, findet Reitz.

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Anna Hepp hat ihre Begeisterung für den berühmten Schöpfer der „Heimat“-Trilogie und Mitunterzeichner des berühmten Oberhausener Manifests schon in jungen Jahren verehrt. Sein Film „Mahlzeiten“, der 1967 bei der Biennale in Venedig als bestes Erstlingswerk ausgezeichnet, habe es ihr besonders angetan, erzählt die 42-Jährige. „Relativ naiv und unvorbereitet“ habe sie Reitz dann bei einer Veranstaltung ihr Filmprojekt offenbart. Und überzeugte den Filmemacher mit ihrer stringenten Planung. 2015 habe das künstlerische Konzept dann Gestalt angenommen, erzählt Hepp. Und bei der Suche nach dem passenden Drehort sei man schnell auf die Essener Lichtburg gekommen, die doch wie kaum ein anderer Ort für die Liebe zum Filmemachen und für große Kinogeschichte stehe. Auch Edgar Reitz hat der Filmpalast sofort stimuliert: „In so einem Raum sprechen zu dürfen, hat meine Geister geweckt.“

„Der Film hat den Begriff ,Heimat’ als etwas Natürliches und Unverkitschtes dargestellt“

Doku lief schon in Venedig

Anna Hepp hat ihre Filmdokumentation über Edgar Reitz im vergangenen Jahr bereits bei den Filmfestspielen von Venedig vorgestellt. Dort lief „800 mal einsam“ in der Sektion „Dokumentarfilm über Kino“.

In Essen ist der Film am 10. und 11. März, jeweils um 17.45 Uhr, im Filmstudio Glückauf, Rüttenscheider Straße 2, zu sehen.

Und so geht es 84 Minuten lang nicht nur um Filmerfolge, sondern auch um sehr Persönliches: Die Kindheit im Krieg, die privaten und beruflichen Krisen („es gab Jahrzehnte, wo mit der Film nicht ein bisschen Glück gebracht hat“) und die Auseinandersetzung mit seiner Hunsrücker Heimat. Die 16-stündige Heimat-Saga wurde zu einem Megaprojekt bundesdeutscher Filmgeschichte und die Ausstrahlung des ersten Teiles 1984 ein echter Straßenfeger. „In dem Film ist der Begriff Heimat erstmals als etwas Natürliches und Unverkitschtes dargestellt worden, da waren die Menschen dankbar“, rekapituliert Reitz den Erfolg.

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Auch die Heimstätte des deutschen Romantik-Gefühls schlechthin, den Wald, besuchen Reitz und Hepp für das unkonventionelle und gleichwohl formal strenge Filmportrait in Schwarzweiß und Farbe. „800 mal einsam“, der Titel der Dokumentation, erklärt sich dabei aus der Gesprächssituation der beiden, die sich im großen Lichtburgsaal vor leeren Sesseln treffen. Für Reitz zumindest sieht das wie eine Einladung aus. Der Raum warte nur auf die Zuschauer. 800 Mal Einsamkeit, das seien im Kino auch 800 Möglichkeiten des Zusammenkommens.

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