Essen. Der Essener Unternehmensverband registriert viele Anfragen, wie bei Erkrankung von Mitarbeitern zu verfahren ist. Erste Firma musste schließen.

Die Angst vor dem Coronavirus wird auch in Essen immer mehr zu einer Gefahr für die Wirtschaft. Das berichtet der Essener Unternehmensverband (EUV), der 400 zumeist größere Unternehmen in Essen zu seinen Mitgliedern zählt. „Zurzeit bekommen wir pro Tag 50 Anfragen nur zum Themenkomplex Corona“, sagt Hauptgeschäftsführer Ulrich Kanders. Das sei unglaublich viel. „Die Verunsicherung, wie im Fall einer Erkrankung oder eines Verdachts zu verfahren ist, ist sehr groß.“

Wirtschaftsberatung Ernst & Young schickte alle Mitarbeiter auch in Essen nach Hause

Wie weit die Konsequenzen gehen können, dazu gibt es einen ersten Präzedenzfall in Essen. Weil ein einziger Mitarbeiter erkrankt ist, hat das Düsseldorfer Wirtschaftsberatungsunternehmen Ernst & Young vorsichtshalber alle 1500 Mitarbeiter nach Hause geschickt. Auch die Essener Niederlassung mit ihren rund 100 Beschäftigten an der Wittekindstraße in Rüttenscheid ist davon betroffen und bleibt vorläufig geschlossen. Man könne nicht ausschließen, dass Kontakt zu dem kranken Mitarbeiter bestanden hätte.

Ulrich Kanders, Rechtsanwalt und Hauptgeschäftsführer des Essener Unternehmensverbandes.­­­­­­­­­­­­­­­
Ulrich Kanders, Rechtsanwalt und Hauptgeschäftsführer des Essener Unternehmensverbandes.­­­­­­­­­­­­­­­ © Foto: EUV

Für Kanders ist längst klar, dass das Virus das Potenzial hat, immensen wirtschaftlichen Schaden anzurichten. Er rät allen Vorständen und Geschäftsführern dennoch, nicht nur den Anweisungen, sondern auch den Empfehlungen der Behörden zu folgen. „Wer will verantworten, wenn etwas passiert, weil ein Mitarbeiter nicht frühzeitig nach Hause geschickt oder die Empfehlung ignoriert wurde, einen Standort vorsichtshalber zu schließen?“, so Kanders. Die Folgen für das Image des Unternehmens könnten verheerend sein.

Homeoffice als Ausweg, die Geschäfte in Gang zu halten

Einzelne Erkrankte ließen sich in den vielerorts üblichen Bürostrukturen nicht isolieren. Kanders rät dringend, den Betriebsrat mit ins Boot zu nehmen, um zu klären, inwieweit es im Fall einer Quarantäne von ganzen Betrieben oder Betriebsteilen möglich ist, von zuhause aus zu arbeiten. „In vielen Fällen dürfte das technisch kein Problem sein.“ Homeoffice sei schließlich ein wachsender Trend.

Der Chef des Essener Unternehmensverbandes warnt aber vor Panik und Panikmache. Dazu gebe es keinen Anlass. https://www.waz.de/staedte/essen/coronavirus-corona-essen-verdacht-nrw-familie-quarantaene-id228567755.html coronavirus- eltern in essen melden kinder von skifahrt ab

Herr Kanders, darf ein Mitarbeiter aus Angst vor einer Ansteckung seiner Arbeit fernbleiben?

Die Pflicht zur Arbeitsleistung besteht erst einmal weiter. Der Arbeitnehmer darf nicht zuhause bleiben, nur weil er sich z. B. auf dem Weg zur Arbeit oder durch Kontakte am Arbeitsplatz anstecken könnte. Allerdings kann der Arbeitgeber einzelne Arbeitnehmer in Ausnahmefällen von ihrer Arbeitspflicht entbinden – wie etwa bei möglichen Ansteckungen durch aus China zurückkehrenden Kollegen.

Was passiert, wenn ein Unternehmen plötzlich stark vom Virus betroffen ist?

Sollte es eine Firma besonders hart treffen und der Betrieb kann nicht aufrechterhalten werden, trägt das Unternehmen das Betriebsrisiko, soweit Arbeitnehmer arbeitswillig und -fähig sind. Um die Belastungen in so einem Fall so gering wie möglich zu halten, kann - ggf. in Abstimmung mit dem Betriebsrat - Kurzarbeit angeordnet werden. Die Regionaldirektion NRW der Bundesagentur für Arbeit hat den Arbeitgeberverbänden gegenüber bestätigt, dass bei einem durch eine Pandemie ausgelösten Arbeitsausfall konjunkturelles Kurzarbeitergeld gewährt werden kann. Entsprechende Fälle sind im Land Nordrhein-Westfalen bereits positiv beschieden worden.

Was sollten Arbeitgeber tun, wenn sie einen Krankheitsfall bei sich im Betrieb vermuten?

Um Ansteckungen zu vermeiden, sollte der Arbeitgeber den Arbeitnehmer bei Verdacht einer Erkrankung umgehend freistellen und diesen zu seinem Hausarzt oder zum betriebsärztlichen Dienst schicken.

Haben infizierte Angestellte Anspruch auf Lohnfortzahlung?

Ist der Arbeitnehmer arbeitsunfähig, hat er Anspruch auf Fortzahlung seines Lohns. Allerdings nur dann, wenn ihn nicht die Schuld an der Erkrankung trifft. Ein Verschulden kommt z.B. in Betracht, wenn der Mitarbeiter im Rahmen einer Privatreise gegen eine Reisewarnung des Auswärtigen Amtes verstoßen hätte. Der Arbeitgeber darf den aus einem privaten Auslandsaufenthalt zurückkehrenden Arbeitnehmer aber befragen, ob er sich in der vom Coronavirus gefährdeten Region aufgehalten hat.

Was ist mit Entsendungen von Mitarbeitern nach China?

Grundsätzlich kann auch weiterhin in China und in den vom Virus besonders betroffenen Gebieten gearbeitet werden. Hier haben Arbeitnehmer zunächst kein Arbeitsverweigerungsrecht. Dieses besteht nur bei erheblichen Gefahren für Leben oder Gesundheit. Solange keine Reisewarnung des Auswärtigen Amtes vorliegt, ist dies nicht der Fall. Kommt es allerdings zu Reisewarnungen wie aktuell für die chinesische Provinz Hubei, können Arbeitnehmer einer Entsendung widersprechen. Gleiches gilt für bereits in China stationierte Mitarbeiter. Zunächst haben auch sie kein Recht, ihre Arbeiten dort niederzulegen. Besteht allerdings die oben erwähnte Gefahr für Leben oder Gesundheit, kann die Pflicht zum Arbeiten entfallen. Ob für Arbeitnehmer, die sich bereits im Ausland aufhalten, ein Anspruch auf vom Arbeitgeber finanzierte Rückkehr besteht, ist eine Einzelfallentscheidung. Hier spielen die Aufenthaltsdauer und die Ausbreitung des Virus eine Rolle.

Was raten Sie aktuell Ihren Mitgliedern, die geschäftliche Beziehungen nach China pflegen?

Wir empfehlen, einen „Pandemieplan“ aufzustellen bzw. eine Rahmenbetriebsvereinbarung für den Pandemiefall mit dem Betriebsrat abzuschließen. Solche Planungen stellen sicher, dass ein Unternehmen nicht unvorbereitet überrascht wird, sondern geeignete Krisenstrategien zur Verfügung hat. Zudem kann die Ansteckungsgefahr durch Verhaltensregeln reduziert werden: Tragen von Schutzmasken und -kleidung, regelmäßiges Desinfizieren der Hände, Wechseln der Kleidung beim Betreten des Betriebes etc. Homeoffice oder Kurzarbeit sind weitere Optionen, genauso wie der Abbau von Überstunden und das Nehmen von unbezahltem Urlaub. Ohne Betriebsrat sollte der Arbeitgeber diese Maßnahmen mit seinen Mitarbeitern besprechen bzw. notfalls anordnen.

Und was können Unternehmen darüber hinaus noch tun?

Darüber hinaus bieten sich Informations- und Aufklärungsplattformen im Internet zur allgemeinen Information an. Arbeitgeber sollten stets auf ausreichende Hygienemaßnahmen bei den betrieblichen Abläufen achten. Wir empfehlen in solchen Situationen auch immer die enge Zusammenarbeit mit den zuständigen Gesundheitsbehörden bzw. dem betriebsärztlichen Dienst.