Essen-Rüttenscheid. Singles, junge Paare als auch ältere Menschen leben an der Wittenbergstraße zusammen. Für die Kita im Haus engagieren sich Senioren ehrenamtlich.
Es ist mucksmäuschenstill im Raum, als die Kinder um Gabi Dinkelmann herumsitzen, und sie das Buch über das Grüffelmonster hervorholt. Die jungen Zuhörer lauschen gebannt, während die Seniorin mit den spannenden Abenteuern beginnt. Die Mädchen und Jungen kennen die Geschichten zwar schon so gut wie auswendig, aber „haben immer wieder großen Spaß daran“, sagt die Vorleserin, die nur wenige Meter zurücklegen muss, um von ihrer Wohnung zur Kita zu gelangen. Denn beides befindet sich unter einem Dach. Willkommen im Mehrgenerationenhaus an der Wittenbergstraße in Rüttenscheid.
Kinder der Kita in Essen-Rüttenscheid freuen sich auf Besuch der Lesepatin
https://www.waz.de/staedte/essen/sued/erstes-mehrgenerationenhaus-in-ruettenscheid-entsteht-id11893372.htmlOb die Lesepatin nun Monstergeschichten dabeihat oder Texte von Janosch, „die Kinder sind begeistert“. Gemeinsam mit ihrem Mann hat sich die Seniorin für die Einrichtung entschieden, weil sie in der Nähe ihres bisherigen Wohnsitzes liegt.
Schulterschluss des Vereins VKJ und der Awo
Der Verein für Kinder und Jugendarbeit (VKJ) ist Träger von 25 Kitas, 21 davon in Essen, vier in Mülheim.
Die Wohnungsverwaltung liegt in den Händen der AWO. Bauherrin war die Anneliese-Brost-Stiftung.
Der Gebäudekomplex befindet sich im Eigentum der Die ersten Mieter sind im Juli 2018 in das Mehrgenerationenhaus eingezogen.
Als Rita und Rolf Wilms an der Wittenbergstraße einzogen, hatte der Möbelwagen schon eine längere Tour hinter sich. „Wir haben in den letzten 20 Jahren im Westerwald gelebt“, erzählt die 80-jährige gebürtige Essenerin. Mit zunehmendem Alter wollte man aber wieder in die Heimat und damit in die Nähe der eigenen Kinder zurückzukehren. Und wenn schon ein Umzug ansteht, dann sollte es auch ein Wechsel in eine seniorengerechte Wohnung sein.
Kindergarten gibt Mittagessen für Senioren aus
Mit dem neuen Quartier haben die Eheleute Wilms, wie sie zu verstehen geben, aber nicht nur eine gute Wahl getroffen, weil unter anderem ihr neues Zuhause komplett barrierefrei eingerichtet sei. Zu den Annehmlichkeiten gehöre auch, dass sie ihr Mittagessen in der Kita abholen können.
Wilms sind nicht die einzigen, die sich dann die fertigen Mahlzeiten mit in ihre Wohnung nehmen, berichtet Svenja Rother, die den Kindergarten in Trägerschaft des VKJ leitet. Eine Reihe weiterer Senioren nutze die Möglichkeit ebenso. Der Service werde indes von den jungen Paaren und Singles, die ebenso zur Hausgemeinschaft aus 26 Mietparteien gehören, kaum in Anspruch genommen, so Rother. Durch Berufstätigkeit seien sie nun mal mittags meist nicht daheim.
Wie sehr sie das Gemeinschaftsleben wertschätzen, zeige sich aber daran, dass sie an den regelmäßigen Freitagstreffen aller Mieter teilnehmen oder sich an Geburtstagsfeiern beteiligen würden, erzählt Wolfgang Krenz. Der 66-Jährige hat mit seiner Frau Heike lange Jahre in einem Eigenheim in Bünde gelebt. Doch die Größe des Hauses und der Garten, der Pflege braucht, wurden mehr und mehr zu Belastung. Da seine Tochter in dem Essener Mehrgenerationenhaus gelebt hat und das Paar auch selbst das Leben einer solchen Einrichtung mehrfach getestet hat, „konnten wir uns für das Projekt an der Wittenbergstraße begeistern“.
Hobbygärtner zeigt seinem jungen Publikum, wie man Gemüse anbaut
Fasziniert sind die Kita-Kinder auch immer wieder, wenn Wolfgang Kreuz ihnen zeigt, wie man Pflanzbeete pflegt. Seit 30 Jahren ist Witt Hobbygärtner, hat reichlich Erfahrung, wie man Radieschen oder Tomaten züchtet und erntet. „Natürlich probieren wir auch, wie das Gemüse schmeckt“. Sich draußen aufzuhalten, gefalle den Kindern ohnehin sehr, berichtete die Kita-Leiterin. „Da kann es auch mal lauter werden“, so Mieter Herbert Witt, der sich gegen die Redeweise von Kinderlärm wehrt. Er wohne im ersten Geschoss, ob er nun drinnen oder draußen aufhalte, würden ihn die Kinder überhaupt nicht stören.
Die Plätze auf seinem Balkon vergibt er auch gern an die jungen Gäste, wenn Aufführungen angesagt sind. Kommt der Nikolaus zu Besuch, biete der Tribünenplatz einen perfekten Blick auf das Geschehen. Aber auch an allen Tagen im Jahr sei „immer was los und das ist auch gut so“.