Essen. Penis, Prostata und Syphilis: Jungs der Essener Goetheschule sprachen mit dem Urologen über Themen, die sonst für schmutzige Witze herhalten.
„Für welche Organe ist der Urologe zuständig?“, fragt Dr. Tobias Jäger. – Dabei müsste er das am allerbesten selbst wissen. Doch die Jungs in den Reihen eins, drei und vier erinnern ihn gerne noch einmal an seinen Job: „Penis“, ruft einer, „Prostata“, ein anderer, „Nieren“, der nächste. Die Goetheschüler sind gut vorbereitet an diesem Morgen in der Arztpraxis. Hier treffen sie sich zu einem erstaunlich kicher- und schamfreien Aufklärungsunterricht.
Notfälle in der Pubertät
Gerade in der Pubertät, warnen die Essener Urologen, sei eine Hodenverdrehung weit verbreitet. Hier sollten die Jungen besonders achtsam sein und innerhalb von sechs Stunden bei einem Arzt sein. „Das ist einer der wenigen urologischen Notfälle im Kinder- und Jugendalter“, sagt Dr. Tobias Jäger.
Die Hodenverdrehung sei sehr schmerzhaft. Sie komme ganz von alleine und trete vor allem in der Nacht auf. „Weckt dann sofort eure Eltern und gebt ihnen Bescheid.“
Die Urologische Praxisklinik (UPK) Essen lädt regelmäßig ein Mal im Jahr die Siebtklässler der Goetheschule zu sich ein. Die Mädchen haben zur gleichen Zeit eine Verabredung mit dem Gynäkologen. Vielleicht trägt auch diese Geschlechtertrennung dazu bei, dass ein Haufen von 20 Jungen konzentriert und erstaunlich offen über Dinge spricht, die auf dem Schulhof gerne für schmutzige Witze herhalten.
Essener Ärzte beweisen, dass der Besuch beim Urologen nicht verkrampft sein muss
Mathe, Englisch oder Sport spielen an diesem Vormittag nur eine Nebenrolle. Stattdessen machen Unterleiber aus Kunststoff die Runde, werden Fotos von fiesen Geschlechtskrankheiten an die Wand geworfen und vor allem Vorurteile aus dem Weg geräumt. Beispielsweise das, dass der Besuch bei einem Urologen verkrampft und schmerzhaft sein muss. Tobias Jäger und sein Kollege Dr. Stephan Bergner verstehen es, die Kinder bei Laune zu halten und geradezu zu begeistern.
In Internet- und Whatsapp-Zeiten, in denen schon unter Grundschülern freizügige Videos verbreitet werden, scheinen die Kinder besser über die Anatomie Bescheid zu wissen als Generationen vor ihnen. Sie ordnen Harnröhren oder Nieren sofort den passenden Körperstellen zu und wissen sogar, warum Mädchen häufiger unter Blasenentzündungen leiden. Zumindest im zweiten Versuch. Denn die erste Vermutung, „weil sie so gerne bauchfrei tragen“, finden die Ärzte zwar nicht falsch, halten sie aber auch nicht für die Hauptursache. Die kann ein anderer Junge erklären: „Bei den Mädchen ist die Harnröhre kürzer.“
Die Bedeutung der HPV-Impfung ist den Jungen schon bewusst
Zwölf und dreizehn Jahre alt sind die jungen Besucher am Rüttenscheider Praxisstandort, der an diesem Morgen exklusiv für sie geöffnet hat. Und damit im perfekten Alter, um über einige ernste Themen etwas mehr zu erfahren. „Das ist ein wichtiger Punkt. Darauf müsst ihr in den nächsten Jahren aufpassen“, sagt Tobias Jäger und meint damit sexuell übertragbare Erkrankungen wie Tripper oder Syphilis.
Die HPV-Impfung wird seit kurzer Zeit von der Ständigen Impfkommission auch für Jungen empfohlen. Mädchen bekommen sie schon seit längerem. „Doch Jungs sind die Überträger“, sagt der Arzt. Es gehe darum, eine ansteckende Erkrankung einzudämmen, die bei Mädchen zu Gebärmutterhalskrebs und bei den Jungen zu Warzen am Geschlechtsteil führe. Auch dieses Thema ist bei den jungen Gästen präsent. Einer erzählt, dass er in vier Wochen bereits einen Impftermin hat.
Die Chemie zwischen den Ärzten und den Schülern scheint zu stimmen. Am Ende geht es so weit, dass einer aus der ersten Schülergruppe (insgesamt sind es zwei Gruppen) kurz vor der Verabschiedung auf Dr. Stephan Bergner zeigt und sagt: „Das ist jetzt unser neuer Lehrer.“ Da wird dann doch gekichert.
Auch interessant