Essen. Nach über einer Dekade des beschützten Kreisverkehrs auf dem Kirmesplatz soll der Essener Straßenstrich wieder auf Vordermann gebracht werden.
Essens Straßenstrich ist in die Jahre gekommen: Nach mehr als einer Daseins-Dekade muss der größte Kreisverkehr der Stadt an der Gladbecker Straße auf Vordermann gebracht und aufgemöbelt werden. Denn unzählige Spanner und Freier haben ihre unübersehbaren Spuren hinterlassen.
In die Sichtschutzzäune wurden Löcher geschnitten, um das Treiben im Innern des beschützten Standortes auf dem früheren Kirmesplatz heimlich beobachten zu können. In den dichten Gebüschen drumherum, die ebenso unliebsame Blicke abhalten sollen, haben sich unübersehbare Mengen von Müll angesammelt.
Ein haltbarerer Sichtschutz aus Blechen wird aufgebaut
Wie Sozialamtsleiter Hartmut Peltz im Gespräch mit dieser Zeitung berichtete, sollen die Arbeiten in wenigen Wochen beginnen. Das Gestrüpp wird radikal zurückgeschnitten, um den Unrat entfernen zu können. Die Zäune mit Plastiklamellen werden durch einen haltbareren Sichtschutz aus Blechen ersetzt.
Die Investition ist finanziell überschaubar und dient einem Ziel: Den aus Sicht der Stadt, der Polizei und der Hilfsorganisationen gelungenen Umgang mit der Straßenprostitution in Essen, der für andere Kommunen Pate stand, weiterhin zu pflegen: „Wir wollen das Erfolgsmodell weiterführen“, sagt Peltz. Wenn man angesichts des Elends vor allem der drogenkranken Frauen, die etwa ein Drittel aller dort anschaffenden Prostituierten ausmachen, von einem „Erfolg“ sprechen mag.
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Was das angeht, ist Peltz Pragmatiker, der sich der dauernden Gratwanderung der Kommune auf dem Strich durchaus bewusst ist: Die anstehenden Arbeiten seien notwendig und man sei sich nach wie vor darüber im Klaren, das „Angebot nicht zu luxuriös zu betreiben, um nicht als Förderer der Prostitution zu erscheinen“. Die sei aus einer Großstadt aber nun mal nicht zu verdrängen. Von Verboten für das horizontale Gewerbe, die in anderen Ländern bereits Realität sind und in Deutschland zumindest diskutiert werden, halten die Essener Sozialexperten wenig: „Das bringt nichts“, ist Peltz überzeugt. Veto-Kritiker sagen: Das Angebot sexueller Dienstleistungen werde dadurch nicht kleiner, sondern verlagere sich ins Verborgene, wo dann nicht nur der Verkehr, sondern besonders die Frauen ungeschützt sind.
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„Der Straßenstrich ist alles andere als ein schöner Ort“
Also gelte es, das Vorhandene „so sozial, aber auch so sozialverträglich wie möglich für das Umfeld zu gestalten“- durch ständige Hilfen, die im „Strichpunkt“ auf dem Gelände verortet seien, aber auch durch regelmäßige Präsenz der Ordnungsbehörden. Wobei klar ist: Prostitution sei und bleibe „kein normales Gewerbe und der Straßenstrich ist alles andere als ein schöner Ort“. Diesen Eindruck hat auch Oberbürgermeister Thomas Kufen gewinnen können, als er Ende des vergangenen Jahres eine von vielen regelmäßigen Kontrollen von Polizei und Stadt an der Gladbecker Straße begleitete.
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Auf Angemessenheit habe die Stadt bei ihren Planungen vor über zehn Jahren bereits Wert gelegt. So ist der heutige Kreisverkehr mit exakt 700 Metern genau so lang wie die frühere Sex-Meile an der Pferdebahnstraße – jedenfalls so lange der dortige Strich auf Linie blieb, bevor er durch die Zuwanderung von Frauen aus Bulgarien und Rumänien zu sehr in die angrenzenden Wohnquartiere ausuferte. Die Zahl der Wohnwagen-Stellplätze auf dem auch deswegen als Ausweichstandort gestalteten Kirmesplatz ist bis heute auf zehn begrenzt. Es gibt Alarmeinrichtungen in den Verrichtungsboxen. „Die soziale Kontrolle ist besser als in irgendeinem Parkhaus“, betont Peltz und „alle Frauen werden über den Strichpunkt erreicht“, wo sie an sechs Tagen pro Woche Kondome wie Beratung bekommen, aber auch Drogenspritzen tauschen können. Für diese Betreuung zahlt die Stadt 98.000 Euro im Jahr.
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Was sich auszahlt: Seit Jahren, sagt Peltz, habe es am Essener Straßenstrich „keine nennenswerten Vorkommnisse gegeben“ und die Zahl der Frauen hat sich über die Jahre nahezu halbiert: Im Tagesschnitt gehen an der B224 zwischen 20 und 30 Prostituierte anschaffen, ohne dass sich andernorts eine neue Szene gebildet hätte.