Essen. Besonders in Altendorf und der Nordcity sind Sicherheitsgefühl und Polizeistatistik nicht deckungsgleich. Nicht alle Opfer zeigen Straftaten an.

So wenige registrierte Straftaten wie seit über zehn Jahren nicht mehr und eine polizeiliche Aufklärungsquote, die die höchste seit 1990 ist: Ginge es allein nach der behördlichen Kriminalstatistik müssten sich die Essener in ihrer Stadt besonders sicher fühlen. Tun sie aber nicht. Zumindest nicht in allen Quartieren, zeigen erste Erkenntnisse der „SiQua-Studie“, die die Stadt zusammen mit der Deutschen Hochschule der Polizei im vergangenen Jahr gestartet hat. Ein Grund für die offene Schere zwischen Fakten und Gefühl ist: Es werden mehr Essener zu Opfern von Straftaten als bei der Polizei registriert werden.

Dies ist ein zentraler Befund der Befragung, für die im vergangenen Jahr über 16.000 zufällig ausgewählte und mindestens 17 Jahre alte Essener angeschrieben worden sind. Der Schwerpunkt der noch laufenden Untersuchung liegt dabei auf den „Problemstadtteilen“ Altendorf, Stadtkern und Nordviertel. Sie stehen stellvertretend für weitere Viertel, „die sich in vergleichbaren Lagen befinden“, heißt es.

Die Ergebnisse der Untersuchung sollen im März veröffentlicht werden

„Das Sicherheitsempfinden in den Fallstudiengebieten ist bereits jetzt erkennbar schlechter als in anderen Stadtteilen“, lautet der Eindruck, den die Studienmacher schon jetzt bekommen haben, bevor die Ergebnisse der Untersuchung im März dieses Jahres komplett veröffentlicht werden sollen. Besonders deutlich falle der Ausschlag ins Negative allerdings nicht aus, schränken sie ein, und es fänden sich auch kaum Hinweise, dass sich die Unterschiede erst in der jüngeren Zeit entwickelt hätten - etwa durch verstärkte Zuwanderung.

Ein Grund für einen Zuwachs an gefühlter Unsicherheit in Quartieren, die man im Zweifelsfall gar nicht so gut kennen muss, ist das teils massive Auftreten der Behörden etwa in der nördlichen Innenstadt oder Altendorf, also genau in den beiden ausgewählten Fallstudiengebieten. Das hat Polizeipräsident Frank Richter im Gespräch mit dieser Zeitung bereits eingeräumt: „Je mehr wir als Polizei machen, desto stärker wird wohl das Gefühl in der Bevölkerung, es passiere auch mehr.“

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Weitere Analysen und auch Interviews zur Kriminalitätsfurcht

Dass der Polizei nicht alle Delikte bekannt werden und die Kriminalstatistik deshalb kein Abbild der Realität sein kann, ist dabei nicht nur für Studienmacher keine neue Erkenntnis: „Dies ist ein typischer Befund, der in nahezu jeder Dunkelfeldbefragung auftritt“ und somit nicht nur für Essen gilt. Was wiederum relativierend wirke: „Die Berichte der Bewohner deuteten nicht darauf hin, dass die Kriminalität in Essen größer ist als in vergleichbaren Städten.“ Eine deutliche Verschlechterung des Sicherheitsgefühls sei ebenfalls nicht zu erkennen, heißt es.

Durch weitere Analysen und Interviews wollen die Wissenschaftler nun herausfinden, wie stark Kriminalitätsfurcht zudem durch die persönliche Situation und das Zusammenleben im Wohngebiet geprägt werden. Es soll erörtert werden, was konkret die Menschen in einem Stadtteil verunsichert, aber auch, was dazu beiträgt, sich im Alltag sicher zu fühlen.

Alle registrierten Straftaten der vergangenen zehn Jahre werden zusammengestellt

Das Forschungsprojekt, das vom Bundesbildungsministerium gefördert wird und Berliner Sprengel als auch Quartiere in Dresden unter die Lupe nimmt, nähert sich dem Thema „Sicherheit in Essen“ zunächst aus zwei Perspektiven: Für ein Lagebild anhand der Polizeilichen Kriminalstatistik wurden zusammen mit der Polizei Essen und dem Landeskriminalamt für jeden Stadtteil alle registrierten Straftaten der vergangenen zehn Jahre zusammengestellt. Die durch die Befragungen gewonnenen Einschätzungen des subjektiven Sicherheitsempfindens werden schließlich mit diesen Daten abgeglichen.

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Die Macher der Studie haben keine Zweifel, dass sie dabei repräsentative Erkenntnisse liefern können: Es wurden über 4000 Fragebögen ausgefüllt zurückgeschickt. Damit liegt der Rücklauf in den ausgewählten Quartieren bei bis zu 25 Prozent. Für die Stichprobe des gesamten Stadtgebietes liegt er mit 37 Prozent noch höher. „Diese Beteiligung entspricht den Erwartungen aus anderen Studien und bildet eine gute Grundlage“, heißt es.