Essen. Das 24. JOE-Festival setzte stimmungsvoll neue Maßstäbe auf Zeche Carl. Der Essener Trompeter John-Dennis Renken zeigte solistisch Weltklasse,
Staunende Erkenntnis nach drei eindrucksvollen Tagen „JOE-Festival“ auf Zeche Carl: Das Niveau des von Patrick Hengst und Christian Ugurel feinfühlig komponierten Programms wird immer besser. Und toppte nach Meinung vieler diesmal sogar das sonst Maßstäbe setzende Anfang Januar stattfindende Internationale Jazzfestival Münster in seiner Shortcut-Version.
Jazz diesmal ohne Flügel und fast ohne amerikanische Namen
Bemerkenswerterweise kam man diesmal in Essen ganz ohne Flügel aus und mit Ausnahme von Tom Rainey am ersten Abend auch ohne große amerikanische Namen. Stars gab’s jedoch einige, wobei an erster Stelle der Essener Trompeter John-Dennis Renken zu nennen ist. Was dieser mit grandioser, zwischen hauchzarter Luftigkeit und überwältigender High-Note-Grandezza schillernder Intonation mit kluger Elektronik-Unterstützung ganz allein servierte hatte Weltklasse. Und spielte in der gleichen Liga wie die famosen Vorbilder Cuong Vu und Nils Petter Molvaer, denen der in jeder Hinsicht große Bläser mühelos ebenbürtig war.
Den faszinierend kurzweiligen Kontrast dazu setzte das Jahrhundert-Trommelgenie Christian Lillinger mit überwältigender Cymbal-Artistik, was sich mit Christopher Dells flirrendem Vibraphon und den sonoren Basslines von Jonas Westergaard zu hypnotisch freiem Flow addierte. Es war eine Sternstunde klug strukturierter Improvisationskunst von rarer Intensität, die man atemlos genoss.
Hinreißend delikat und mit zarter Spoken-Word-Poetry
So wie einen Tag später den Auftritt der legendären norwegischen Vokalistin Sidsel Endresen, die zu aberwitzig filigranem Saitenzauber von Vilde Sandve Alnæs (Geige) und Inga Margrete Aas (Bass) hinreißend delikat mit zarter Spoken-Word-Poetry samt Hauchen & Fauchen alle Zuhörer in ihren Bann schlug. Tosender Jubel für die wundersamen Klanggespinste ihres Trios „Azkadenya“, die unerhört originell das „JOE-Festival“ bereicherten.
Auch interessant
Noch so ein Glücksfall war der Auftritt von „Soko Steidle“, dem der großartige Bassklarinettist Rudi Mahall in spannungsreichen, nur dezent eruptiven Dialogen mit Henrik Walsdorff am Altsaxophon hinreißend Glanz und Gloria auflegte. Satt geerdet von Jan Röder am Bass, kraftvoll angefeuert von Oliver Steidle, dem vierten Drummer im Reigen großer Trommler des allein deshalb schon an- und aufregenden Festival-Geschehens.
„Elektro Guzzi“ verwandelte Carls Kaue in einen Dance Floor
Dem gab das Wiener Trio „Elektro Guzzi“ Freitagnacht einen ganz anderen Drive, der die ziemlich volle Kaue in den feinsten Dance-Floor der Stadt verwandelte. Legten sie doch mit unglaublicher Präzision an Gitarre, Bass und Schlagzeug handgemachten Techno auf, der in beinharter Intensität mächtig abging und selbst ergraute Jazzfans begeistert zappeln ließ. Ein schweißtreibendes Vergnügen der Extraklasse auf höchstem Energie-Level.
Was man von dem finalen Festival-Act „Das Behälter“ leider nicht so sagen kann. Denn statt des annoncierten „Agit-Disko-Jazz“ samt anarchischer Grooves bekam man eine musikalisch durchaus interessant untermalte Performance der, sagen wir, Drag-Künstlerin JX Ende zu hören, die zwischen tuntigem Kabarett und selbstverliebter Exaltiertheit heftig schillerte.
Es war ein trotz Julius Gabriels hörenswertem Saxophon ein eher seltsames Erlebnis in dem diesmal von grandiosen Trommlern und betörend zartfühlenden Improvisationsabenteuern geprägten Festival.