Essen. Weil das Gericht strengere Maßstäbe an die Größe der Wahlbezirke anlegt, muss Essen diese neu zuschneiden. Mit Folgen im Zeitplan der Genossen.

Die Verfassungsrichter haben geurteilt, die OB-Stichwahl bleibt erhalten – na, dann ist ja wohl alles klar für die Kommunalwahl im September? Mitnichten: Von den meisten kaum beachtet, wurde an jenem Dezember-Tag 2019 auch eine lange geübte Praxis zum Zuschnitt der Wahlbezirke einkassiert. Jetzt muss das Wahlamt die Grenzen noch einmal neu ziehen – und bringt die SPD bei der geplanten Rats-Nominierung aus dem Takt. Nicht nur sie.

Denn auch für die Christdemokraten könnte es knapp werden, die neuen Wahlbezirksgrenzen rechtzeitig vor der geplanten Kandidaten-Kür rechtssicher zu beschließen. Alle anderen Parteien kommen, weil sie sich mit der Aufstellung ihrer Bewerber mehr Zeit lassen, um einen doppelten Anlauf herum.

Zahl der Einwohner darf um maximal 15 Prozent abweichen

Worum geht`s? Im Bemühen um eine halbwegs gerechte Aufteilung des Wahlgebietes in gleich große Wahlbezirke hat das Verfassungsgericht in Münster jüngst zwar jene Neuregelung durchgewinkt, dass fortan nur noch Deutsche und EU-Ausländer bei der Einwohnerzahl berücksichtigt werden. Allerdings stieß den Richtern sauer auf, dass dabei um bis zu 25 Prozent vom Einwohner-Durchschnitt abgewichen wird – nach oben wie nach unten.

Eine derart großzügige Regelung „bedarf der beschränkenden, sogenannten verfassungskonformen Auslegung“, hieß es plötzlich. Im Klartext: Die Städte müssten schon eine wirklich gute Ausrede haben, um eine so hohe Abweichung zu rechtfertigen. Maximal 15 Prozent gelten als akzeptabel, aber gerade in Großstädten sei es doch wohl „ohne weiteres möglich, durch die Einbeziehung angrenzender Straßenzüge oder einzelner Stadtquartiere zu annähernd gleich großen Wahlbezirken zu gelangen“, so fanden die Verfassungsrichter.

Die Korrektur kommt zu spät: Die SPD braucht einen neuen Termin

Nun geht es also wieder los, das Hickhack um den Zuschnitt der Kommunalwahlbezirke, (nicht nur) in Essen. Denn zwischen Karnap und Kettwig liegen nicht weniger als 13 der 41 Kommunalwahlbezirke um mehr als 15 Prozent über oder unter dem Wahlbezirks-Durchschnitt von 12.762 Einwohnern. Die Spreizung ist beachtlich: von Bergeborbeck/Bochold, wo das stadtweite Mittel um mehr als 22 Prozent unterschritten wird, bis zum Süd- und Südostviertel, wo die Zahl der Einwohner um fast 22 Prozent darüber liegt.

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Nichts, was man nicht heilen könnte, heißt es von Seiten der Stadt: Das Wahlamt rechne schon und will dem Kommunalwahl-Ausschuss die neuen Wahlbezirks-Grenzen am 18. Februar präsentieren. Blöd nur: Die SPD wollte bereits am 25. Januar im Huttroper Hotel Franz ihre Nominierung für den Rat unter Dach und Fach bringen. Den Plan kann sie jetzt knicken, weil die Nominierung nicht rechtssicher erfolgen würde.

Auch die CDU „zittert“ um ihren Nominierungstermin

Ganz überraschend trifft es die Genossen nicht: „Wir waren vorbereitet“, sagt Partei-Geschäftsführerin Yvonne Hartig, „hatten aber gehofft, dass der Kelch an uns vorübergeht“. Ob es nun viel Sinn macht, wenigstens die Kandidaten für die (nicht betroffenen) Bezirksvertretungen zu nominieren, womöglich auch schon die Reserveliste zum Rat festzuzurren, um später noch ein weiteres Treffen anzuberaumen? „Mal sehen.“

Auch die CDU, die ihre Ratsnominierung für den 21. Februar im Atrium des Mariengymnasiums Werden plant, „zittert um den Termin“, wie Geschäftsführer Thomas Frank bekennt: Denn dazu müsste am 18. im Wahlausschuss auch mit dem Segen der SPD eine definitive Entscheidung fallen und das Ergebnis bis zum Nominierungstag im Amtsblatt veröffentlicht werden. Könnte knapp werden, räumte am Donnerstagabend Stadt-Sprecherin Silke Lenz ein.

Vergleich mit früheren Ergebnissen ist so nicht mehr möglich

Nur so viel ist klar: Bis zum 29. Februar muss die Änderung über die Bühne sein, so sieht es das Gesetz vor. Ärgerlich ist die vom Gericht verfügte strengere Auslegung der Vorschriften dabei nicht nur, weil das Wahlamt nun zum dritten Mal an den Wahlbezirk-Grenzen herumwerkeln muss.

Der neue Zuschnitt, der nicht nur die 13 zu großen oder zu kleinen Bezirke, sondern logischerweise auch so manchen Nachbar-Bezirk trifft, führt auch dazu, dass am Ende ein direkter Vergleich der Ergebnisse mit denen vorheriger Wahlen verfälscht wird, schlicht, weil die Daten-Grundlage sich ändert. Und in einigen Wahlbezirken könnte tatsächlich das Direktmandat daran hängen, welche Straßenzüge wegfallen oder neu hinzukommen.