Essen. Polizei hat teilweises Fotografierverbot für Kundgebung erlassen - ein in Essen bislang einmaliger Vorgang. Richter haben das Vorgehen bestätigt.
Es ist ein in Essen bislang einmaliger Vorgang: Die Polizei Essen hat den Teilnehmern der Kundgebung „Kein Platz für rechte Bürgerwehren - Nazis raus“ am Donnerstag in Essen-Steele untersagt, Gegendemonstranten als auch Unbeteiligte ohne deren ausdrückliche Einwilligung zu fotografieren. Eine entsprechende Ordnungsverfügung landete am Donnerstagmorgen im Briefkasten der Anmelder von „Aufstehen gegen Rassismus“. Das ziemlich überraschte Bündnis warf der Polizei eine fadenscheinige Argumentation vor und zog vor das Verwaltungsgericht. In einem Eilverfahren bestätigten die Richter jedoch die Auflagen der Polizei, wie Wolfgang Thewes, Sprecher des Verwaltungsgerichts in Gelsenkirchen, gegenüber dieser Zeitung sagte. Dagegen will das Bündnis in den nächsten Tagen eine Klage in nächster Instanz anstrengen.
Erfahrungen aus zurückliegenden Versammlungen waren offenbar der Grund für die Entscheidung der Behörde, die die öffentliche Sicherheit gefährdet sieht: Teilnehmer der Aufzüge von „Mut machen - Steele bleibt bunt“, „Aufstehen gegen Rassismus Essen“ und dem „Internationalistischen Bündnis Essen“ sollen in der Vergangenheit mehrfach mit Kameras und Mobiltelefonen Fotos von Versammlungsteilnehmern, Passanten und Polizisten geschossen haben, die sie später im Internet oder in sozialen Netzwerken veröffentlichten, ohne die Betroffenen zu fragen.
Porträtaufnahmen können provozieren - Polizei befürchtet Straftaten
Die Vertreter der Bündnisse widersprechen allerdings der Auffassung der Polizei, dass „hierbei in diversen Fällen derart nah an Personen herangetreten wurden, dass Porträtaufnahmen gefertigt wurden“, wie es in der Ordnungsverfügung heißt. Dadurch könnten sich die Abgelichteten derart provoziert fühlen, dass Auseinandersetzungen zwischen den Lagern und damit Straftaten zu befürchten seien, heißt es sinngemäß.
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Die Polizei stützt sich bei ihrer Entscheidung auf eigene Erkenntnisse: So habe die „Antifa Essen-West“ in ihrem Report „Essener Nazistrukturen 2019“ nicht nur Namen, sondern auch Fotos von Mitgliedern der „Steeler Jungs“, „Huttroper Jungs“ als auch der „Altenessener Spaziergänger“ veröffentlicht. Porträtbilder seien aber auch in den Internetauftritten der genannten Bündnisse erschienen. Ohne Einwilligung der Abgelichteten sei dies eine Straftat, so die Polizei, und gleichzeitig ein Verhalten, das die öffentliche Sicherheit bei Versammlungen wie in Steele gefährden könne. Das Verwaltungsgericht teilte diese Auffassung und betonte zudem, dass ein teilweises Fotografierverbot die Versammlungs- und Meinungsfreiheit nicht beeinträchtige.
Bei der Verfügung handelt es sich nicht um eine dauerhafte Auflage
Da die Aufnahmen dafür benutzt würden, das „Erscheinungsbild der Betroffenen außerhalb deren Kontrolle und Verfügungsmacht in der Öffentlichkeit darzustellen“, könnten sie eine „provozierende Wirkung auf diese Personen entfalten“, schreibt die Polizeibehörde. Und an die Adresse der Anmelder: „Ohne die Beschränkungen geht von Ihrer Versammlung eine unmittelbare Gefährdung für die körperliche Unversehrtheit Ihrer Versammlungsteilnehmer sowie der Einsatzkräfte der Polizei und unbeteiligter Dritter aus.“
Polizeisprecher Ulrich Faßbender machte deutlich, dass es sich bei der Auflage um ein teilweises Fotografierverbot, das sich auf das Ablichten von Gegendemonstranten, opponierenden Teilnehmern und unbeteiligten Personen beschränke, und nicht um eine Dauerverfügung handele: „Sie gilt erst einmal nur für den 9. Januar.“ Die Polizei nehme so ihre Schutzfunktion gegenüber Dritten wahr.
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Eine Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht steht aus
Dass es den Demonstranten der Bündnisse ebenfalls nicht gefällt, wenn sie ungefragt abgelichtet werden und später in Internetauftritten zu erkennen sind, haben sie bereits 2018 deutlich gemacht: Sie reichten Klage gegen die Polizei Essen ein, die Fotos einer Demo am 6. Mai in Essen-Steele auf Facebook und Twitter veröffentlicht hatte. Gegen ein Urteil des Oberverwaltungsgerichts, das diese Praxis der Behörde im September als rechtswidrig erklärte, hat das Land NRW Ende des vergangenen Jahres Revision zum Bundesverwaltungsgericht eingelegt. Eine Verhandlung in Leipzig steht noch aus.
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