VRR-Sprecherin Sabine Tkatzik im Interview: Neue Takte, neue Fahrzeuge, neues Personal – deshalb läuft es seit dem Fahrplanwechsel nicht rund.

WAZ: Fahrgäste klagen über massive Verspätungen. Seit dem Fahrplanwechsel läuft es alles andere als rund. Wie erklären Sie das?

Sabine Tkatzik: Wir hatten kurz vor dem Jahreswechsel den größten Fahrplanwechsel im VRR seit der Jahrtausendwende. Insbesondere im S-Bahnverkehr sind damit etliche Neuerungen verbunden. Es hat Taktumstellungen gegeben, neue Fahrzeuge sind im Einsatz und bei den Unternehmen auch neues Personal. All das führt an der ein oder anderen Stelle zu Problemen.

Warum hat der VRR die Taktzeiten nicht so belassen, wie sie vorher waren? Das hat doch ganz gut funktioniert.

Man hat ganz bewusst einen nachfrageorientierten Takt gewählt, insbesondere im nördlichen Ruhrgebiet. Dort hat der 20-Minuten-Takt dazu geführt, dass viele Züge nicht so ausgelastet waren, wie man es sich gewünscht hätte. Dem Fahrgastaufkommen haben wir Rechnung getragen. In den Hauptverkehrszeiten wurde die Taktung der Züge gestärkt und in den so genannten Nebenverkehrszeiten ein wenig ausgedünnt.

Auch in Essen fahren S-Bahnen nur noch im 30-Minuten-Takt, die vorher alle 20 Minuten gefahren sind. Das findet nicht jeder gut.

Es gibt bei solchen Umstellungen sicherlich nicht nur Gewinner. Nichtsdestotrotz ist es so, dass tatsächlich mehr Menschen von den höheren Takten profitieren.

Auf einigen Linien fährt seit dem Fahrplanwechsel nicht mehr die Deutsche Bahn, sondern das private Eisenbahnunternehmen Abellio, etwa auf der S9. Der VRR hatte die Linien neu ausgeschrieben. Warum?

Wir waren dazu verpflichtet, weil alte Verkehrsverträge ausgelaufen sind. Bei den S-Bahnen hatten wir uns außerdem im Vorfeld dazu entschieden, Fahrzeuge und Betreiber getrennt voneinander auszuschreiben, weil dies wirtschaftliche Vorteile mit sich bringt insbesondere, wenn man eine größere Flotte bestellt. In diesem Zusammenhang haben wir uns auch das Mobilitätsverhalten angeguckt. Neben dem klassischen Wechsel von Betreibern und Fahrzeugen kam es so zur Taktumstellung.

Sabine Tkatzik, Sprecherin des Verkehrsverbundes Rhein-Ruhr.
Sabine Tkatzik, Sprecherin des Verkehrsverbundes Rhein-Ruhr. © Foto: Martin Möller

Die Fahrzeuge gehören gar nicht den Unternehmen, die damit fahren?

Nein, die Fahrzeuge sind Eigentum des VRR. Sie werden aber von dem Hersteller gewartet. Der Hersteller stellt die Fahrzeuge dem Betreiber, in diesem Fall Abellio, zur Verfügung.

Deshalb muss Abellio erst noch Fahrer für die neuen Fahrzeuge schulen?

Nein, das hat damit nichts zu tun. Wir haben vor ein paar Jahren zunächst die Fahrzeuge ausgeschrieben. Erst als klar war, welcher Hersteller den Zuschlag bekommt, ist die Entscheidung über die Betreiber gefallen.

Abellio ist offensichtlich nicht in der Lage, die vom VRR bestellte Leistung komplett zu erbringen. Warum hat Abellio trotzdem den Zuschlag bekommen?

Weil in diesem Fall abzusehen war, dass Abellio in der Lage sein wird, die Linien zu betreiben. Die Qualifikation der Triebfahrzeugführer konnte leider nicht so erfolgen, dass Abellio das bestellte Konzept bereits zu 100 Prozent umsetzen kann. Deshalb haben wir mit Abellio folgende vorübergehende Regelungen getroffen: Die S3 wird weiterhin von der Deutschen Bahn gefahren als Subunternehmer von Abellio. Auf der Linie S9 fährt Abellio einen personalbedingten Notfallplan mit kürzeren Wendezeiten in Wuppertal-Vohwinkel und Bottrop. Dieser Notfallplan ist sicherlich neben dem Knotenpunkt Essen ein Grund dafür, dass es insbesondere auf der Linie S9 sehr holprig läuft.

War das nicht vorauszusehen?

Es war nicht vorauszusehen, dass es zu so vielen Verspätungen kommen würde. Aber letztendlich war es der einzige Weg, einen überschaubaren Zeitraum zu überbrücken. Es ist wohl so, dass Abellio bis Ende Januar neues Personal ausgebildet hat und auch die S9 insgesamt etwas robuster wird, was die Zuverlässigkeit angeht.

Den Verkehrsvertrag mit dem Betreiber Keolis für die Linien S1 und S4 hat der VRR vor dem Fahrplanwechsel kurzfristig gekündigt, weil das Unternehmen nur die Hälfte der Planstellen besetzen konnte. Hätte der VRR den Betrieb der S9 nicht im Sinne der Fahrgäste bei der Deutschen Bahn belassen können, bis Abellio genügend Fahrer stellen kann?

Auch die Deutsche Bahn hätte doch zusätzliche Triebwagenfahrzeugführer benötigt. Deshalb haben wir gesagt, es macht durchaus Sinn, dass Abellio erstmal nach dem Notkonzept fährt.

Wann dürfen Fahrgäste denn damit rechnen, dass der Betrieb reibungslos läuft?

Zu 100 Prozent kann ich Ihnen das nicht sagen. Wir haben dazu noch einmal mit Abellio zusammengesessen. Es ist vereinbart worden, dass Abellio auch in Abstimmung mit der Deutschen Bahn überlegt, ob es ein Alternativkonzept geben könnte. Wir erwarten Anfang nächster Woche dazu eine konkrete Aussage. Momentan ist es so, dass seitens Abellio gesagt wurde, dass die Personalrestriktionen bis Ende Januar dazu führen werden, dass es auf der Linie S9 zu Verspätungen und Zugausfällen kommt.

Wie könnte ein Alternativkonzept aussehen?

Dazu muss ich Sie vertrösten, bis Abellio etwas vorgelegt hat.