Essen. Quasi im Minutentakt wurden in Essen Vierlinge geboren. Die drei Jungen und das Mädchen sind für die Eltern Glück pur und große Herausforderung.
Ein Kind verändert alles, vier stellen die Welt komplett auf den Kopf. Und wenn der Nachwuchs dann noch im Minutentakt geboren wird, ist das Glück wohl kaum zu fassen. Für das Ehepaar Farah Manzlawi und Mohammed Taraboulsi war der 27. November ein ganz besonderer Tag. Praktisch von jetzt auf gleich vergrößerte sich ihre kleine Familie um mehr als das Doppelte. Die kleine Halla (2,5 Jahre) bekam mit einem Mal vier Geschwister.
Chefarzt Dariusz Michna ist mit der Entwicklung der Frühchen sehr zufrieden
Nun überlegt die Flüchtlingsfamilie, wie sie den seltenen Babysegen stemmen soll. Jeden Morgen um 9 Uhr bringt Mohammed Taraboulsi (27) eine Flasche Muttermilch ins Elisabeth-Krankenhaus. „Das reicht für den Nachtisch“, sagt Dr. Dariusz Michna, Chefarzt der Klinik für Neu- und Frühgeborene. Mit der Entwicklung der vier Frühchen ist er sehr zufrieden. Auf seiner Station ist Teamarbeit rund um die Uhr gefragt. Kinderärzte, Kinderchirurgen, Kinderkrankenschwestern und -pfleger aber auch Physiotherapeuten arbeiten im Schichtdienst, um die Kleinsten qualifiziert betreuen, beobachten und behandeln zu können.
Aus dem Mutterleib wurden die Brüder Imad, Jad und Taim und das Schwesterchen Massa per Kaiserschnitt auf die Welt geholt. Eine Spinalanästhesie ermöglichte der Mutter eine schonende Geburt ohne Schmerzen, aber bei Bewusstsein. Doch die Operation musste geplant werden. „Frau Manzlawi kam schon einige Zeit vorher zu uns ins Krankenhaus“, erzählt Dr. Andrea Gerling, kommissarische Chefin der Frauenklinik.
Die Eltern emigrierten vor fünf Jahren aus Syrien
Wegen der Vierlinge barg die Schwangerschaft der 23-Jährigen besondere Risiken. Eine natürliche Geburt war ausgeschlossen, aber den Zeitpunkt wollten die Ärzte so weit wie möglich nach hinten verlegen, um sich der normalen Dauer von 40 Wochen zu nähern. „Jeder Tag mehr zählt.“ In der 26. Schwangerschaftswoche wurde die vor fünf Jahren aus Syrien emigrierte Patientin im Elisabeth-Krankenhaus aufgenommen. Bis die Vierlinge das Licht der Welt erblickten, musste sie fünf Wochen überwiegend im Liegen verbringen.
„Am Ende wogen die vier Kinder zusammen rund sechs Kilo ohne das Fruchtwasser“, betont Chefarzt Dr. Michna. Für so eine schlanke Frau sei das schon beachtlich. Immerhin hätte jeder Vierling eine eigene Fruchtblase gehabt, was auch nicht immer selbstverständlich sei. In der 31. Schwangerschaftswoche, so weiß man, sind die Sinne eines Kindes voll entwickelt: Es kann tasten, riechen, schmecken, sehen und hören. Es spielt mit der Nabelschnur und schläft ansonsten sehr viel.
Ein Team von 30 Mitarbeitern stand parat, als die Kinder per Kaiserschnitt geholt wurden
Doch in Farah Manzlawis Bauch wurde der Platz langsam eng. „Die Kinder lagen kreuz und quer“, so Dr. Gerling. Am Mittwoch, 27. November, hat man die Frühchen fast im Minutentakt um 13.07 Uhr, 13.09 Uhr, 13.10 Uhr und 13.11 Uhr entbunden. Ein Team von etwa 30 Mitarbeitern, darunter allein fünf Kinderärzte, Kinderschwestern und Pfleger standen bei der Geburt parat. Und auch der Vater leistete Beistand.
„Sie hat ihre Kinder sofort gehört“, übersetzt die Dolmetscherin. Farah Manzlawi, ursprünglich aus Palästina, spricht nur wenig Deutsch. Bessere Sprachkenntnisse hat ihr Mann, der in einer Pizzeria in Horst arbeitet. Die Familie wohnt in der Nähe auf 80 Quadratmetern. Zu siebt könnte es dort bald eng werden, spätestens, wenn die Kleinen auf eigenen Beinen stehen.
Bei der Geburt wogen die vier zwischen 1120 und 1480 Gramm
In Inkubatoren erhielten die bei der Geburt 39 bis 41 Zentimeter kleinen Menschenskinder alles, um atmen und verdauen zu lernen und sich an das Leben draußen zu gewöhnen. Ihr Gewicht lag zwischen 1120 und 1480 Gramm. „Nach den ersten fünf Tagen konnten alle schon allein atmen“, so Dr. Michna weiter. Der Kinderarzt hat das seltene Quartett ins Herz geschlossen, am meisten „seinen“ Taim. „Das war meiner bei der Geburt“, sagt er. So muss er dann beim Fototermin für die Zeitung auch nicht lange überlegen, welchen Säugling er den stolzen Eltern anreicht.
Das Bild zu arrangieren ist gar nicht so einfach. Zwei Kinderpfleger helfen mit, bis die Vierlinge jeweils zu zweit bei Mama und Papa in den Armen liegen. Zunächst in stolzem Ernst schaut das Elternpaar in die Kamera. Die Mutter trägt einen Schleier. Mohammed Taraboulsi gibt der zarten Tochter im pinken Strampler ein sanftes Küsschen. Massa reckt daraufhin die Finger nach ihm, als wolle sie den Papa berühren.
Wenn sich alle weiter gut entwickeln, darf das Quartett Ende Januar nach Hause
Alle Kinder sind noch „verkabelt“. Wie Dr. Michna erläutert, werden sie über Magensonden ernährt, damit sie an Gewicht zuzunehmen. „Jedes Gramm zählt.“ Wenn sich alle gut weiterentwickeln, wovon die Ärzte ausgehen, dürfen die Vierlinge Mitte bis Ende Januar nach Hause. Auf der Intensivstation der Klinik für Neu- und Frühgeborene wird das hübsche Quartett nach wie vor in Wärmebettchen versorgt. Doch die Eltern werden einbezogen. Auch zum Kuscheln mit den Kleinen kommt das Paar. So lernen sie den Nachwuchs kennen und verlieren die Angst vor der neuen Situation und der notwendigen Technik.
Im Krankenhaus drücken alle die Daumen, dass die Eltern auch zuhause das Leben mit fünf Kindern meistern. „Sie haben nette Nachbarn, die sich auf die Babys freuen“, so die Dolmetscherin. Ein Fest ist geplant, und die Eltern von Mohammed Taraboulsi, die im Haus wohnen, haben ihre Hilfe zugesagt.
Förderverein will unterstützen
Der Förderverein „Ellis Freunde“, der in 2019 sein 30-Jähriges Bestehen feierte, will die Vierlinge unterstützen. Vieles muss angeschafft werden: Baby-Ausstattung im Multipack - vom Autositz über Bettchen, Flaschen, Schnuller und Strampler bis hin zu Windeln.
Spenden-Kontakt über die Vorsitzende Marion Hartlap, Telefon 412 000.
„Die wird die Familie auch sicher brauchen“, betont Dr. Gerling. „Scheuen Sie sich nicht, um Unterstützung zu bitten“, empfiehlt sie weiter. Mit vier Schnullern und vier Babyflaschen sei der Vater, der übrigens einen Zwillingsbruder hat, am ersten Tag in die Klinik gekommen. „Das reicht natürlich bei Weitem nicht“, sagt Dr. Michna.
Förderverein spendierte zwei Zwillingswagen, um den Start zu erleichtern
Um der jungen Großfamilie den Start zu erleichtern, spendiert der Förderverein zwei Zwillingswagen. „Am Anfang dachte der Frauenarzt, dass Frau Manzlawi Zwillinge erwartet.“ Damit lag er knapp daneben. Es wurden zweimal zwei. Im Elisabeth-Krankenhaus sind die Vierlinge ein Wunder. „Die Wahrscheinlichkeit liegt bei eins zu 600.000“, weiß Dr. Michna. Er jedenfalls hat das in vielen Berufsjahren noch nie erlebt.