Essen. Vergoldermeister Michael Rothäuser aus Essen-Rüttenscheid ist seit seiner Jugend fasziniert von dem Edelmetall. Er erfüllt ausgefallene Wünsche.

Edel glänzt der Babyschuh im Schaufenster, daneben liegt ein Golfball. Beides sind wahre Goldstücke. Vergoldermeister Michael Rothäuser hat sie auf Kundenwunsch in seiner Werkstatt in Essen-Rüttenscheid angefertigt. Seine Kunden haben zum Teil sehr ausgefallene Wünsche.

„Was den Leuten lieb und teuer ist, lassen sie gern vergolden“, weiß er. Das sehr alte und inzwischen seltene Handwerk entdeckte er durch seine Mutter Helga. „Sie war die erste Vergolderin in Essen und arbeitete viele Jahre in einem Werdener Betrieb.“ Mit 17 machte Rothäuser dort ein Praktikum. Das begehrte Edelmetall faszinierte ihn und treibt ihn seit nunmehr fast vier Jahrzehnten täglich an.

Ein vergoldeter Kinderschuh kostet zwischen 200 und 300 Euro.
Ein vergoldeter Kinderschuh kostet zwischen 200 und 300 Euro. © FUNKE Foto Services | Socrates Tassos

Die durch die große Scheibe einfallende Sonne zaubert noch mehr Glanz in das Ladengeschäft, das er 2014 übernommen hat. Auf dem mit Leder bezogenen Vergolderkissen liegt ein Heftchen. Darin stecken die hauchdünnen Blattgoldseiten. Exakt haben sie eine Stärke von einem Zehntausendstel Millimeter. Damit sind sie leichter als Federn, jeder noch so kleine Windstoß weht die Blättchen davon. „Vergolder brauchen einen ruhigen Atem“, erklärt der Fachmann. Wer zu heftig Luft ausstößt, fegt das extrem dünne Material vom Tisch.

Metallblätter werden in Süddeutschland hergestellt

In einer traditionellen Fabrik in Süddeutschland werden die wertvollen Metallblätter nach altem Verfahren hergestellt. Zunächst wird das Gold bei über 1200 Grad Celsius geschmolzen und in Barren gegossen. Je nach gewünschter Farbe kommen andere Metalle dazu, Silber für helle Töne oder Kupfer für dunkle. Präzisionswalzen erzeugen im nächsten Schritt eine möglichst dünne Goldfolie. Sie wird in gleichmäßige Quadrate geschnitten und zwischen Trennblätter gelegt.

Vergolder arbeiten auch häufig im Bereich Denkmalpflege

Das Vergolderhandwerk steht für die Veredelung und Gestaltung von Oberflächen jeder Art. In vielen Arbeitsschritten bringen Vergolder mit speziellen Werkzeugen hauchdünnes Blattgold und andere Metalle auf metallische und nichtmetallische Materialien. Dabei sind handwerkliches Geschick und Fingerspitzengefühl gefragt.

Vergolder arbeiten für private Auftraggeber, Kunsthändler und im Bereich Denkmalpflege, zum Beispiel in Kirchen oder Schlössern.

Durch „Schlagen“ – früher auch hierzulande und bis heute in Entwicklungsländern von Hand ausgeführt - wird das Material in einer „Quetsche“ weiterbearbeitet, bis es am Ende die richtige Stärke hat. 23,5 Karat Gold mit dem feinen Dachshaarpinsel in vielen Arbeitsschritten auf den handgefertigten Echtholzrahmen aufgebracht, lassen den ohnehin schon wertvollen Druck des deutschen Malers Leon Löwentraut zu einem glänzenden Highlight an der Wand werden.

Material und Werkzeug liegen auf dem Vergolderkissen.
Material und Werkzeug liegen auf dem Vergolderkissen. © FUNKE Foto Services | Socrates Tassos

Rothäuser hat diesen Auftrag für einen Privatkunden ausgeführt. Alles zusammen koste schnell bis zu 10.000 Euro oder gar mehr. Der Babyschuh sei da eher das Einsteigermodell und koste 200 bis 300 Euro. Kunstinteressierte Privatleute aus Essen und ganz NRW kommen zu Rothäuser mit exklusiven Wünschen. Doch vergoldeten Luxus gönnen sich gern auch namhafte Unternehmen und statten Flure und Zimmer der Vorstandsebenen damit aus.

Der Vergolder war lange in Essen-Steele ansässig

Als Vergolder ist Rothäuser, der 20 Jahre an der Westfalenstraße in Steele in einem Loft eine 250-Quadratmeter-Werkstatt mit Galerie hatte, schon in der Welt herumgekommen. „Auch das gehört zum Beruf.“ Längst nicht alles kann er in den eigenen Räumen erledigen, dann fährt er zu Außenterminen. Vor Ort vergoldet er Wetterhähne, Fassaden, Zaunelemente oder Möbel. Vergoldungen von Kreuzen oder Altären führt er fürs Bistum Paderborn aus.

Vergoldet wurde einst in Klöstern. Ausgerechnet orthodoxe Ordensbrüder in Griechenland suchten vor einigen Jahren den Rat des Esseners. Sie wollten alte Ikonen restaurieren und brauchten fachliche Unterstützung. Rothäuser war es eine Ehre. „Mit einer Dolmetscherin bin ich zu den Metéora-Felsenklöstern gereist und habe den Mönchen Tipps gegeben.“

Geschäftsmann verrät keine Details über seine Kunden

So ausgefallen wie das Material sind die Wünsche der Kunden: Ein Privatmann bat ihn um einen Luxus-Rahmen für ein in New York erworbenes Bild: Motiv Dagobert Duck, Walt Disneys superreicher Enterich beim Geldbad im heimischen Tresor. Rothäuser lieferte. Details über den Hausbesuch verrät er nicht und übt sich auch sonst in Diskretion. Nur so viel: Selbst die Familie, die einen bekannten Discounter gründete, gehöre zu seinem Kundenstamm. Aber Leuten wie Milliardär Goldfinger aus dem gleichnamigen Bond-Klassiker, der seine Freundin mit Goldfolie überzieht, will er lieber nicht begegnen. „Für mehrere Tausend Euro“ habe er jedoch schon Tiergeweihe vergoldet.http://funke-cms.abendblatt.de:8080/webservice/thumbnail/article/227960271

Auch Golfbälle lassen sich durchaus vergolden.
Auch Golfbälle lassen sich durchaus vergolden. © FUNKE Foto Services | Socrates Tassos

Und 2003 reiste der Essener Meister mit einer Delegation ins Emirat Dubai. In der goldenen Wüstensonne warb die Scheichfamilie, die zu den Reichsten der Welt gehört, Fachkräfte an. Trotz glänzender Aussichten blieb Rothäuser an der Ruhr. Kleine Aufträge sind ihm ebenso willkommen. Der Seniorin aus der Nachbarschaft verkauft er gern den neuen Wechselrahmen fürs Lieblingsbild. „Das ist dann der Luxus, den ich mir leiste.“