Essen. Noch ist nicht klar, wer für welche Nutzung des „Colosseums“ den Zuschlag erhält. Theater und Musical sollen wohl vertraglich verhindert werden.
Wenn am 1. Weihnachtstag im „Colosseum“ die Funken sprühen, sind nicht etwa die Handwerker zugange. „Flashdance“ erzählt vielmehr den Lebenstraum einer jungen Schweißerin, der sich im Stück – so viel darf hier verraten werden – am Ende auch erfüllt. Es gehört zur Ironie der Geschichte, dass derweil hinter den Kulissen just dieser Tage das Ende eines Bühnentraums besiegelt wird: Das Casting für mögliche Käufer der prächtigen Theater-Immobilie ist abgeschlossen, der Verkauf des „Colosseums“ steht bevor.
Wer den Zuschlag bekommt, diese Frage wollen die Noch-Eigentümer der Hamburger Veranstaltungs-Profis vom Stage Entertainment noch nicht verraten – oder können es nicht, wie Stephan Jaekel am Donnerstag durchblicken ließ: Denn nach den Worten des Unternehmens-Sprechers dürften sich die Verhandlungen noch bis in den Januar hinziehen.
Der Stage-Sprecher beruhigt: „Kein Puff“ dank Denkmalschutz
Sorgen, da könnte eines der schönsten Industriedenkmäler der Stadt Essen verhunzt werden, versucht Stage-Sprecher Jaekel zu zerstreuen: Der Denkmalschutz bewahre das Gebäude davor, „ein Puff zu werden“, lautete der flapsige Kommentar. Und auch für ein Dax-Unternehmen gibt es seiner Ansicht nach sicher geeignetere Gebäude.
Aber was wird dann aus dem knapp 120 Jahre alten Gebäudekomplex, den Krupp damals als 8. Mechanische Werkstatt errichtete. Und der zusammen mit der Eisenbahnbrücke vor der Tür und dem zum Ikea-Parkhaus umgebauten Press- und Hammerwerk einst den Eingang in die alte Krupp-Stadt markierte?
Theater und Musical sollen vorerst vertraglich verhindert werden
Eines sicher nicht: ein Theater- oder Musical-Bau. Denn eine solche Nutzung, so ist zu hören, will Stage Entertainment zumindest für eine Reihe von Jahren vertraglich ausschließen – offenbar aus Sorge ums eigene Geschäft andernorts. Eine Regelung, die im Bieterkreis für einiges Erstaunen gesorgt haben soll. Und eine Hypothek für die Nachnutzung, die aber, so betonen Kenner der Materie, nicht zwingend bedeutet, dass die Öffentlichkeit aus dem beeindruckenden Gebäude ausgeschlossen bleibt.
So sei ein Zentrum mit gehobener Gastronomie genauso möglich wie ein so genannter „Food Market“, ein Forum für Veranstaltungen genauso wie Co-Working-Büros. Auf städtischer Seite ausdrücklich unerwünscht ist dem Vernehmen nach nur ein Ausbau zum Hotel.
Irgendwas ohne Kultur? Da wäre erst der Bebauungsplan zu ändern
Ohnehin kontrolliert die Planungsverwaltung und letztlich auch die Politik eine zentrale Stellschraube bei der Folgenutzung des „Colosseums“: den Bebauungsplan, der in seiner anno 1997 vom Stadtrat beschlossenen Fassung für das nämliche Gebäude eine Festlegung als „sonstiges Sondergebiet“ mit der Zweckbestimmung „kulturelle Einrichtung“ enthält. „Wegen seiner besonderen Bedeutung und monofunktionalen Ausprägung für die kulturelle Entwicklung“, wie es im Text heißt.
Nun ist eine solche Festsetzung im Bebauungsplan nicht in Stein gemeißelt. Sie könnte also auf entsprechenden Antrag der Käufer von der Planungsverwaltung geändert und von der Ratsmehrheit abgesegnet werden. Ein Selbstläufer ist dies allerdings nicht.
Veranstaltungen bis zum Ende des kommenden Jahres geplant
Und kostspielig wird die Neu-Nutzung obendrein, weil es zum einen hier und da Sanierungsbedarf gebe und zum anderen ein Teil-Umbau für Büros oder ähnliche Zwecke ins Geld gehe. Da relativiert sich, so heißt es, der sonst eher günstige mittlere einstellige Millionenbetrag, zu dem das Hammer Makler-Büro „Haus Kentrop“ Käufer für die Immobilie suchte.
Im „Colosseum“ selbst ist derweil von Ausverkaufsstimmung keine Spur, im Gegenteil: Obwohl Stage Entertainment vor sieben Wochen den Rückzug angekündigt hatte, erweist sich das Bühnenprogramm am Berliner Platz als abwechslungsreicher denn je. „Es hat noch einmal einen Schub gegeben“, bestätigt der Stage-Sprecher Stephan Jaekel. Ob das auf Plakaten bereits angekündigte zweiwöchige Queen-Musical auch Ende 2020 noch das „Colosseum“ rockt? „Je länger die Verhandlungen dauern, je höher ist auch die Wahrscheinlichkeit, das alles stattfindet, was plakatiert ist“, betont Jaekel.
Der Bühnentraum, noch lebt er.