Essen. Regisseur Karsten Dahlem hat mit Jugendtheater Furore gemacht. Jetzt geht er in der Casa mit „Peer Gynt“ durch die Tiefen einer heutigen Welt.
„Es ist ein hartes Stück. Es ist ein Stück mit tiefgründigen Figuren. Es ist ein wahnsinnig heutiges Stück“, sagt Karsten Dahlem. 1867 brachte Henrik Ibsen, einer seiner Lieblingsautoren, „Peer Gynt“ als dramatisches Gedicht heraus. „Damit kann ich nichts anfangen“, so Dahlem. Mit den späteren Bühnenbearbeitungen sehr wohl. Für das Schauspiel Essen schuf er mit der Dramaturgie eine eigene Fassung, die in der Casa Premiere hat.
In den Arbeiten von Regisseur Karsten Dahlem geht es immer um Existenzielles
Dahlems Figuren werden stets mit den Härten des Lebens konfrontiert: sein rockender junger Werther, der bis zum Suizid unglücklich liebt, sein Ole, der Davie mobbt und doch lieber eine „Princess“ wäre oder sein Pierre Anthon, der seine Mitschüler provoziert, weil ihm „Nichts“ wichtig erscheint. Ob auf der Bühne oder im Film - in den Arbeiten von Karsten Dahlem geht es immer um Existenzielles. Erst recht bei„Peer Gynt“.
Der unbändige Bauernsohn wächst in einem Dorf in ärmlichen Verhältnissen auf. Der trinkende Vater hatte alles vernichtet. Nur seine überbordende Fantasie nicht. Die teilt Peer mit der Mutter, wird aber von der Dorfjugend wegen seiner Lügengeschichten verlacht. Er träumt sich weg und nimmt sich, was er braucht, ohne Rücksicht auf Verluste. Er wirft Frauen weg, die ihn lieben, wird reich durch Waffen- und Sklavenhandel, wird im Irrenhaus zum König erkoren und kehrt alt und arm zurück.
Der moderne Mensch in seinem ewigen Streben nach Anerkennung
Karsten Dahlem hat die Psychologie der Figur gereizt, die das „Glück vor der eigenen Haustür nicht sieht“ und immer tiefer sinkt. „Tiefer geht es nicht mehr.“ Wie er mit sich und anderen Menschen umgehe, sei heftig, meint der 44-Jährige und verweist auf eine Parallele zum aktuellen Kinofilm „Joker“: „Eine tragische Figur.“
Gleichwohl ist nicht nur der moderne Mensch in seinem ewigen Streben nach Liebe und Anerkennung zu entdecken. Trotz märchenhafter Züge schwingt die gesellschaftliche Situation mit. Hatte sich Ibsen als Realist kritisch mit dem romantischen Naturalismus auseinandergesetzt, offenbaren sich nun „Umweltschutz, Me Too-Debatte, Fair Trade oder die Ausbeutung von Menschen“.
Mittlerweile seine sechste Produktion am Schauspiel Essen
Und Karsten Dahlem offenbart sich als Schauspieler-Regisseur - nicht nur, weil er an der Folkwang-Hochschule studiert und als Schauspieler gearbeitet hat. Ab 2007 inszeniert er parallel dazu von Oldenburg bis Wien. Das ist mittlerweile seine sechste Produktion am Schauspiel Essen.
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Die Bühne von Franziska Sauer ist abstrakt. Holzlatten ragen ins Bild, der Hirsch als Symboltier taucht auf, und es gibt wieder Livemusik, „wie in fast allen meinen Stücken“. Christoph König spielt unter anderem „Radiohead“ und mit einem Augenzwinkern ein Stück aus Edvard Griegs eigens für „Peer Gynt“ komponierter Schauspielmusik, die vielen Regisseuren bei einem modernen Stück als unpassend erscheint.
Drei Frauen begleiten Peer Gynt durch das Leben
Wenig lenkt ab von den Darstellern. Drei Frauen begleiten seinen Peer (Alexey Ekimov) in dem auf das Wesentliche konzentrierte Stationendrama durch die Welt. Es sind Mutter Aase (Ines Krug), Ingrid (Sabine Osthoff) und Solveig (Silvia Weiskopf), die ihm immer wieder erscheinen oder in anderen Rollen durchscheinen. Es sind Leute, die mit ihm eine Rechnung offen haben“, erklärt Karsten Dahlem. „Am Ende ist entscheidend, wer an deinem Totenbett steht.“
Der filmaffine Regisseur, der zuvor am Drehbuch für sein neues Filmprojekt „Coming home“ schrieb, hat eine klare Vorstellung davon, was er erreichen will: „Emotionen sind das oberste Gebot. Dafür gehe ich ins Kino und ins Theater. Ich möchte berührt werden, das Herz herausgerissen bekommen. Auch Peer ist von Emotionen getrieben.“
Karsten Dahlem und „Peer Gynt“
Karsten Dahlem wurde 1975 in Limburg an der Lahn geboren. Nach einer abgebrochenen Ausbildung bei der Polizei absolvierte er an der Folkwang-Hochschule ein Schauspielstudium.
Dem Schauspiel folgte die Theaterregie, das Schreiben von Drehbüchern und Filmregie. Diverse Arbeiten wurden mit Preisen bedacht, unter anderem sein Kurzfilm „Princess“, sein Drehbuch zu „Freier Fall“, seine Inszenierungen „Es bringen“ oder „Frühlings Erwachen“.
„Peer Gynt“ hat am 13. Dezember, 19 Uhr, Premiere in der Casa. Sie ist fast ausverkauft. Karten: 8122 200