Essen. Im Kampf gegen Clankriminalität zeigen die Maßnahmen der Polizei nach eigener Einschätzung erste Erfolge. Nun kommt noch eine neue Dienststelle.

Kurz vor dem offiziellen Beginn der Veranstaltung fällt es um, das Schild, das sie für diesen Anlass haben anfertigen lassen. Aber sofort sind Helfer zur Stelle, bringen die Tafel wieder in Position. Damit zu lesen ist, was in diesem Haus in Essen-Rüttenscheid in Kürze beheimatet ist. Die SiKo-Ruhr nämlich. Die Sicherheitskooperation Ruhr, die der nächste Schritt der Behörden im Revier im Kampf gegen kriminelle Clans sein soll.

Für NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) ist die neue Dienststelle, die im Parterre eines frisch renovierten Hauses untergebracht ist, alternativlos. Sie soll, so Reul, „Ansatzpunkte finden, um den Clans das Geschäft madig zu machen“. „Die Zeit des Wegsehens ist vorbei“, stellt Reul noch einmal mit markigen Worten klar und verweist auf die zahlreichen Aktionen der Behörden in den vergangenen Monaten.

NRW-Innenminister Herbert Reul vor dem Schild der neuen Dienstelle
NRW-Innenminister Herbert Reul vor dem Schild der neuen Dienstelle "Sicherheitskooperation Ruhr "(SiKo Ruhr). © FUNKE Foto Services | Olaf Fuhrmann

Auch interessant

Das Gebäude der neuen Dienstelle
Das Gebäude der neuen Dienstelle "Sicherheitskooperation Ruhr "(SiKo Ruhr) an der Müller-Breslau-Straße in Essen. © FUNKE Foto Services | Olaf Fuhrmann

2500 Objekte seien bei den zahlreichen Razzien durchsucht worden, 25.000 Personen befragt, Tausende Straftaten und Ordnungswidrigkeiten aufgedeckt worden. Das zeige Wirkung. Auch bei der Bevölkerung. „Die Bürger atmen ein Stück auf“, will er festgestellt haben und glaubt, dass das Sicherheitsgefühl wieder gestiegen sei.

Frank Richter, der Polizeipräsident von Essen, sieht das ähnlich. Nein, genaue Statistiken hat auch er nicht, aber die Zahl der Beschwerden aus so genannten Problem-Stadtteilen, habe in letzter Zeit stark abgenommen. Und die Zahl der Tumultdelikte, bei denen Beamte binnen Minuten von Dutzenden Menschen umringt werden, weil sie einem Clan-Mitglied ein Knöllchen schreiben oder einen Unfall aufnehmen, die ist ebenfalls gesunken. Sehr stark sogar. Beeindruckende Zahlen, „aber das heißt nicht, dass das Problem gelöst ist“, sagt der Minister und kündigt an: „Wir bleiben dran.“

Mitarbeiterstab kann im Bedarfsfall verstärkt werden

Genau dabei soll die SiKo-Ruhr helfen. In ihr sollen Vertreter von Polizei, Kommunen, Zollbehörde, Bundespolizei und Finanzverwaltung gemeinsam Informationen sammeln sowie Maßnahmen gegen Clankriminalität bündeln und koordinieren. Sie soll aus einem kleinen, festen Mitarbeiterstab von etwa zehn Personen bestehen. Aber je nach Lage und Bedarf sollen andere Institutionen „Verbindungspersonen“ benennen und entsenden.

„Deutschlandweit einmalig“ sei diese Konstruktion, schwärmt Minister Reul und um ihn herum auf dem Podium schwärmen sie mit. Polizei-Präsident Richter erwartet gar einen „Quantensprung“ bei der Bekämpfung der Clan-Kriminalität. „Wir haben in Essen und Mülheim an der Ruhr die besten Erfahrungen in der engen Zusammenarbeit aller staatlicher Institutionen gemacht und dabei festgestellt, wie stark ein Rechtsstaat sein kann, wenn alle Partner ihre Möglichkeiten im Sinne eines gemeinsamen Ziels einbringen.“

„Es wird besser werden“

Die neue Stelle will auch präventiv wirken. Gemeinsam mit Pädagogen, Sozialarbeitern und Wissenschaftlern sollen Aussteiger-Programme und Modelle entwickelt werden, die Kindern und Jugendlichen Wege aus dem Clanmilieu aufzeigen. Reul weiß, dass das die wahrscheinlich schwierigste Aufgabe wird. „Wir erwarten hier keine schnellen Erfolge“, dämpft er deshalb die Erwartungen. „Das ist komplettes Neuland und Grundlagenforschung in einem sehr schwierigen Umfeld. Aber immerhin: Wir säen. Und wir hoffen, irgendwann auch zu ernten.“

Genau wie bei der klassischen Bekämpfung der Clan-Kriminalität. Natürlich wisse er nicht, wie genau sich die Lage in den nächsten fünf Jahre entwickele. Eines aber glaubt er fest. „Es wird besser werden.“

Auch interessant

Das Landeskriminalamt hatte Mitte Mai das erste Lagebild zur Clankriminalität in Nordrhein-Westfalen vorgestellt. Demnach sieht die Polizei in NRW 104 Clans mit kriminellen Mitgliedern am Werk. Allein in den Jahren 2016 bis 2018 sollen rund 6500 Verdächtige aus der Szene für mehr als 14.000 Straftaten verantwortlich gewesen sein.

Auch interessant

.