Essen. William Forsythe auf Pact Zollverein: Neben seiner Installation „Himmel & Hölle“ wurde auch die Premiere der Performance „Neighbours“ präsentiert

Betrachter oder Besucher? Da wird’s dann schon schwierig, wenn man über William Forsythes neuere Arbeiten spricht. Der 69-jährige Forscher-Choreograf, der sich nach dem Rückzug aus seiner Forsythe Company (die leitete er von 2005 bis 2015), vor allem von den Möglichkeiten der bildenden Kunst inspirieren ließ und sich der Entwicklung Choreografischer Objekte widmete, spricht lieber von „visitors“, also Besuchern.

Bei William Forsythe gibt es keinen Zwang, mitzumachen

Oder doch eher Teilnehmer? Nein! Der Begriff kommt für Forsythe nicht in Frage, schließlich gebe es ja keinen Zwang, mitzumachen. William Forsythe lädt ein, sich zu bewegen – körperlich wie im Geiste. Im Rahmen des Kooperationsprojekts „Konstellationen“. 100 Jahre Bauhaus im Westen“ präsentierte das Museum Folkwang vier installative und choreografische Interventionen, die den Tanz, die Institution Museum, den Raum und den Menschen selbst befragen, bisweilen auch in Frage stellen.

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Das Publikum wird hüpfend, tanzend, drehend in Bewegung gebracht

Beim Kooperationspartner Pact Zollverein animiert Forsythe seit dem vergangenen Freitag dauerhaft alle Besucher schon vor dem Eingang in Bewegung zu kommen – hüpfend, tanzend, drehend. „Himmel und Hölle“ hat er die Kreidezeichnung inklusive choreografischer Instruktion auf den Bodenplatten genannt. Wer bei Forsythes Variante des Kinderspiels mithüpft, macht es in der Regel mit einem Lachen im Gesicht – das ist kein schlechter Start in einen Tanzperformance-Abend.

Szene aus „Neighbours“ mit Rauf ’RubberLegz’ Yasit und Brigel Gjoka.   
Szene aus „Neighbours“ mit Rauf ’RubberLegz’ Yasit und Brigel Gjoka.   © Ursula Kaufmann

Forsythe ist ein Choreograf, der das Objekt als Körper und den Körper als Objekt denkt. In seiner Videoarbeit „Alignigung“ (von 2016) verschlingen sich zwei Tänzerkörper in Zeitlupe zu einem Körperknäuel. Glieder, Kopf, Rücken sind kaum noch zu unterscheiden, alles fließt in- und auseinander. Ein Mikrokosmos des Verbindens und Vereinigens, das in seiner Kühle den Betrachter allerdings auf emotionalem Abstand hält.

Breakdance-Drehungen und ironische Ballettzitate

Einladender ist da schon die charmante Kurzperformance „Neighbours“ von Rauf ’RubberLegz’ Yasit und Brigel Gjoka. Diese Uraufführung stellt Forsythe im ertragreichen „Konstellationen“-Projekt als Lehrer vor, er inspirierte diese beiden Tänzer und Choreografen. Gjoka war Tänzer der Forsythe Kompanie, Yasit arbeitete mehrmals mit Forsythe. In „Neighbours“ begegnen sie sich tänzerisch in ihren Eigenarten, ein Battle der Bewegungssprache. In geschmeidig-weichen, fast schlaksigen Schritten und Wendungen fordert Gjoka schelmisch grinsend zum Duett auf. Yasits Antwort: exakt kontrollierte Haltung, Breakdance-Drehungen und ironische Ballettzitate. Noch ist der 25-Minüter mehr Skizze als fertige Performance, aber dieses testosterongeladene Gespräch des körperlichen Ausdrucks, das immer wieder nach verbindenden Momenten sucht, macht Lust auf mehr. Und Fortsetzungen haben die zwei bereits geplant.

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