Essen. In 45 Minuten ist das komplexe Leben einer Stadt nicht leicht einzufangen. Der WDR-Film über die „Arbeitermetropole“ Essen tippt viele Themen an.

Soviel Anfang war nie, die Zeit der Industrialisierung mit ihren wirkmächtigen Bildern ist gerade für das Fernsehen ein immerwährendes Faszinosum. Auch am Freitagabend lieferte der WDR dazu wieder Passendes, eine Dokumentation mit fiktionalen Elementen und einem Titel, der neugierig machte: „Die Arbeitermetropole an der Ruhr - Leben in Essen“.

In 45 Minuten ist es allerdings schwer, das komplexe Leben einer ganzen Stadt darzustellen, so bleibt es dann bei kleinen, recht bieder geratenen Schlaglichtern: Die Enge der braven Bergarbeiterfamilie Schopinski, die Blasiertheit des Großbürgertums, die ersten Schritte von beherzten Frauen in Richtung Emanzipation, schließlich die Flucht vom Pütt auf den Straßenbahnfahrersitz, die der hustende Jung-Hauer Oskar Schopinski schafft.

Eingestreute Bilder und Filme von Innenstadt oder Baldeneysee liefern Lokalkolorit

Für mehr als gut gemeinte Klischees bleibt keine Zeit, und wenn man ehrlich ist, könnte all das genauso gut in Bochum oder Wanne-Eickel spielen, was nicht schlimm ist. Eingestreute Bilder und Filme von Innenstadt und Baldeneysee, von der Margarethenhöhe und der noch heute fast original erhaltenen Katernberger Zechensiedlung Meerbruchstraße zaubern dann aber immerhin ein wenig Essener Lokalkolorit ins Fernsehen. Man erfährt etwas über die ursprüngliche Funktion des Baldeneysees (Verbesserung der Trinkwasserqualität), über die Limbecker Straße als erste deutsche Fußgängerzone (im Jahr 1927) und die unvermeidlichen Büdchen, quasi die Supermärkte des kleinen Mannes.

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Auf den Taubensport wurde dankenswerterweise hier mal verzichtet, dafür darf Hans Ahlbrecht, Essener Experte für die Geschichte der Straßenbahn, etwas über das wachsende Liniennetz in der Stadt erzählen und die Unfälle, die es seinerzeit auf Essens Straßen gab. Trotzdem habe der technische Fortschritt es vielen ermöglicht, „ihr Leben zu verbessern“, bemerkt der Filmsprecher. Eine sehr wahre Aussage, die heute in Zeiten der Industrie-Skepsis fast schon ein wenig aus der Zeit gefallen wirkt.

War es wirklich einmal „üblich, die Arbeiter in Alkohol auszuzahlen“?

Zusammengefasst: Alles ein bisschen arg gefällig, alles ein bisschen Kratzen an der Oberfläche. Ob ein Straßenbahnfahrer damals wirklich mehr verdiente als ein Bergmann, sei dahingestellt. Und dass es mal üblich gewesen sei, wie der Film behauptet, „die Arbeiter in Alkohol auszuzahlen“, hat man auch noch nicht allzu oft gehört. Aber es gibt ein paar hübsche Film-Sequenzen, und in den gezeigten historischen Fotos steigt sogar der Dampf auf und die Lokomotiven und Straßenbahnen bewegen sich. Ein Hoch auf die moderne (Foto)-Technik!