Essen. Land NRW hat Revision gegen ein Urteil des Oberverwaltungsgerichts eingelegt: Das hatte auf Facebook gepostete Fotos für rechtswidrig erklärt.
Der Streit um die Öffentlichkeitsarbeit der Polizei in Essen und Nordrhein-Westfalen hat ein juristisches Nachspiel auf höchster Ebene: Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts, das von der Behörde auf Facebook und Twitter veröffentlichte Fotos einer Demo am 6. Mai in Essen-Steele des vergangenen Jahres noch im September als rechtswidrig erklärte, hat das Land NRW nun Revision zum Bundesverwaltungsgericht eingelegt. Eine Verhandlung in Leipzig ist noch nicht terminiert.
Das Innenministerium will’s offenbar wissen. „Zwei Niederlagen reichten offenbar nicht“, kommentierte Rechtsanwalt Jasper Prigge, der die Interessen der zwei Kläger vertritt, die als Teilnehmer der Versammlung auf den Polizeifotos zu erkennen waren. Das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen hatte ihrer Klage stattgegeben. Die dagegen gerichtete Berufung des Landes hatte vor dem Oberverwaltungsgericht in Münster ebenfalls keinen Erfolg.
Film- und Tonaufnahmen nur zum Zweck der Gefahrenabwehr erlaubt
In der mündlichen Urteilsbegründung hat der Vorsitzende des 15. Senats im September unter anderem ausgeführt: Das Anfertigen der Fotos, um diese im Rahmen der polizeilichen Öffentlichkeitsarbeit auf Twitter und Facebook zu publizieren, habe in das Versammlungsgrundrecht eingegriffen. Polizeiliche Foto- und Videoaufnahmen von Versammlungen seien grundsätzlich geeignet, einschüchternd, abschreckend oder in sonstiger Weise verhaltenslenkend auf die Teilnehmer einer Versammlung zu wirken.
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Das gelte auch für Aufnahmen, die erklärtermaßen für die Öffentlichkeitsarbeit der Polizei Verwendung finden sollen. Eine zur Rechtfertigung des Grundrechtseingriffs erforderliche gesetzliche Ermächtigungsgrundlage bestehe nicht. Das Versammlungsgesetz erlaube Film- und Tonaufnahmen nur zum Zwecke der Gefahrenabwehr. Darüber hinaus könne das beklagte Land sich auch nicht erfolgreich auf das Kunsturhebergesetz oder auf die allgemeine Befugnis zu staatlichem Informationshandeln berufen.
Die Polizei könnten auch eigene Kräfte abbilden, um zu informieren
Eine effektive und zeitgemäße polizeiliche Öffentlichkeitsarbeit werde dadurch nicht unmöglich gemacht. Die Polizei könne über ein Versammlungsgeschehen auch ohne die in Rede stehenden Bilder informieren, ohne gänzlich auf eine Bebilderung zu verzichten. So könnte sie etwa ausschließlich ihre eigenen Einsatzkräfte und -mittel abbilden oder auf Archiv-Fotomaterial zurückgreifen, auf dem der Versammlungsort zu sehen sei. Der Senat hat die Revision an das Bundesverwaltungsgericht wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zugelassen. Dieser „Einladung“ wollten die Anwälte des Landes offenbar nicht ungenutzt lassen, zumal es sich um eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung handelt. Deren Beantwortung durch das Bundesverwaltungsgericht dürfte Konsequenzen nicht nur für die Öffentlichkeitsarbeit der Essener Behörde haben.
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Eine Einschätzung, die Christian Baumann, einer der Kläger und damals Versammlungsleiter der Gegendemo in Steele, teilt: „Auch eine moderne Öffentlichkeitsarbeit über Facebook und Twitter rechtfertigt es nicht, Versammlungsteilnehmer zu fotografieren, diese Bilder zu speichern und im Internet zu verbreiten.“