Essen. Die „Parents for Future“ beklagen den Verlust an Straßenbäumen. Die Bilanz der Stadt Essen liest sich dagegen positiv – auf den ersten Blick.
Die Initiative „Parents for Future“ fordert die Stadt Essen auf, sensibler mit Bäumen umzugehen. Angesichts des fortschreitenden Klimawandels sei es höchste Zeit, „den Reset-Knopf zu drücken“, sagen Maria Lüttringhaus und Christiane Gregor, die sich bei den „Parents“ engagieren. Die aktuelle Bilanz der Stadt für die Jahre 2013 bis 2018 liest sich hingegen positiv. Demnach ist die Zahl der Stadtbäume innerhalb von fünf Jahren um rund 4600 auf knapp 200.000 Bäume gestiegen. Der Verlust durch Pfingststurm „Ela“ wurde durch Nachpflanzungen mehr als wettgemacht.
Nach dem Eindruck der „Parents for Future“ aber werden Bäume entlang von Straßen, auf Spielplätzen und anderen öffentlichen Flächen Bäume zu oft und zu schnell gefällt, anstatt zu versuchen sie zu erhalten. „Vor allem alte Bäume sind einen doppelten Blick wert“, so Maria Lüttringhaus.
Aktivisten markieren Bäume in Frohnhausen, die auf den Fälllisten der Stadt auftauchen
Ein Beispiel, das aus Sicht der Initiative für viele andere steht: An der Theodor-Althoff-Straße in Bredeney wurde jüngst eine stattliche Eiche gefällt, ohne dass Anwohner hätten nachvollziehen können, warum. So etwas macht misstrauisch. Aktivisten haben bereits Bäume markiert, die auf den Fälllisten von Grün und Gruga auftauchen. „Dieser Baum wird gefällt! Warum?“ steht an den Stämmen zu lesen.
Die Initiative hat die Listen für sechs Stadtbezirke durchforstet. Das Missverhältnis zwischen den geplanten Fällungen und den Nachpflanzungen scheint auf den ersten Blick eklatant zu sein: So sollen beispielsweise im Stadtbezirk I 171 Straßenbäume gefällt und nur 47 Bäume nachgepflanzt werden. Im Stadtbezirk VII ist die Differenz noch deutlich größer; 197 Fällungen stehen dort laut Fällliste ganze sechs Nachpflanzungen gegenüber.
Die „Parents for Future“ vermissen Transparenz bei geplanten Fällungen
Grün und Gruga hält auf Nachfrage dagegen, dass in den Listen nur dann auch Nachpflanzungen aufgeführt werden, wenn an derselben Stelle, an der ein Baum stand, einer neuer Baum gepflanzt wird. In Grünanlagen sei dies aber nicht immer der Fall. Für die „Parents for Future“ ist dies nur ein weiterer Beleg dafür, dass es an der notwendigen Transparenz mangelt. Grün und Gruga legt den Bezirksvertretzungen die Fälllisten zwar vor. Dort würden sie oft nur durchgewunken.
Die vorliegende Baumbilanz soll nach den Worten von Umweltdezernentin Simone Raskob für mehr Transparenz sorgen. 194.444 Stadtbäume wurden demnach 2013 gezählt. Nur noch 190.637 waren es 2015, im Jahr nach Pfingststurm Ela. Den Verlust hat die Stadt schnell aufgeholt. 2016 wurden 201.804 Bäume erfasst. Seitdem ist die Zahl rückläufig. Mit 197.880 Bäumen lag sie 2018 aber immer noch deutlich höher als 2013. Erfasst werden Bäume ab einem Stammumfang ab 20 bis 25 Zentimeter.
Auf Sportanlagen wurde nach „Ela“ nicht ein einziger Baum nachgepflanzt
Unterm Strich fällt die Bilanz zwar positiv aus. Anders stellt es sich dar, betrachtet man Grundstücke, die in die Zuständigkeit der städtischen Immobilienwirtschaft und der Sport- und Bäderbetriebe fallen. An Sportanlagen wurden 1346 Bäume weniger erfasst als noch fünf Jahre zuvor. Auf den Flächen der städtischen Immobilienwirtschaft, darunter Schulhöfe und Kitas, standen 2018 sogar 3773 Bäume weniger als noch 2013.
Die Stadt führt dafür haushalterische Gründe an: Bäume auf Schulhöfen und Kitas werden im Gesamtvermögen der Stadt nicht bilanziert – im Gegensatz zu Bäumen an Straßen. Rechtliche bestehe deshalb keine Verpflichtung zur Nachpflanzung. Gleiches gelte für Grundstücke der Sport- und Bäderbetriebe.
Jährliche Baumbilanz
Die Stadt Essen will nach Angaben der Verwaltung jährlich die Öffentlichkeit wiederkehrend zu Beginn eines jeden Jahres über die aktuellen Zahlen zum Baumbestand informieren. Auch auf Sportanlagen sollen künftig Bäume nachgepflanzt werden. Grün und Gruga sei darüber mit den Sport- und Bäderbetrieben im Gespräch. Auf Schulgeländen sollen innerhalb von drei Pflanzperioden 159 Bäume nachgepflanzt werden.
Aus Sicht der „Parents for Future“ ist das nicht zufriedenstellend. Insbesondere an Schulen an Kindergärten wie auch an Spielplätzen seien Bäume wichtig, da sie Schatten spenden. Den Dschungel an Zuständigkeiten bei der Stadt sähen die „Parents“ gerne durchforstet. Maria Lüttringhaus verweist auf ein Symposiums zum Thema Grün in der Stadt, das jüngst in Berlin über die Bühne ging, und bei dem auch die Stadt Essen vertreten war. Der Tenor: Kommunen müssten endlich beginnen, ihre gesamten Verwaltungshandlungen grün zu denken, um dem Klimawandel zu begegnen. „Nichts anderes fordern wir“, so Lüttringhaus.