Essen. Die Caritas-Pensionskasse ist in Schieflage geraten. Eines der Opfer ist Joachim Stengel. Seine Pläne für den Ruhestand sind nun passé.

Dr. Joachim Stengel glaubte, alles richtig gemacht zu haben. Mitte der 1990er Jahre schloss der Essener eine private Rentenversicherung ab, um für seinen Ruhestand vorzusorgen. „Ich habe genau das getan, was uns die Regierung empfohlen hat“, sagt der 67-Jährige. Zumal er als selbstständiger Mediziner - Joachim Stengel ist Psychologe und Psychotherapeut – von der staatlichen Rente ohnehin nicht viel zu erwarten hatte. „Aus der gesetzlichen Rente bekomme ich heute etwa 300 Euro.“

Anfang Oktober jedoch musste Joachim Stengel schlagartig feststellen, dass seine Altersvorsorge plötzlich nicht mehr das wert sein würde, womit er seinen Ruhestand geplant hatte. Noch im September hatte er mit seiner Frau und seinem Pudel ein paar „wunderbare Tage“ auf Texel verbracht. Doch als er nach der Rückkehr den heimischen Briefkasten öffnete, lag darin ein Schreiben der Caritas Pensionskasse aus Köln. Die kündigte ihm an, dass seine private Rente zum 1. Januar 2020 um über 30 Prozent gekürzt werde. Für Joachim Stengel bedeutet dies: Statt 1015 Euro soll es dann für ihn nur noch 680 Euro im Monat geben - also 335 Euro weniger im Monat; über 4000 Euro im Jahr.

Mitglieder der Caritas Pensionskasse stimmten Sanierungsplan zu

„Ich bin entsetzt und auch sehr verbittert, weil mit uns Rentnern so umgesprungen wird“, sagt Joachim Stengel. Er hatte damals bewusst die Caritas Pensionskasse gewählt. Er hielt sie für besonders seriös, weil dahinter die Kirche steht. Doch die Caritas Pensionskasse war im Frühjahr in höchste Finanznot geraten. Das Geschäftsjahr 2017, das erst 2019 abgeschlossen werden konnte, wies ein Minus von 142,5 Millionen Euro auf. Schon zuvor hatte die Finanzaufsicht Bafin die Pensionskasse unter besondere Aufsicht gestellt und ihr die Neuaufnahme von Kunden untersagt. Im Mai 2019 mussten die Mitglieder einem Sanierungsplan der in Schieflage geratenen Kasse zustimmen. Dieser sah die teils drastische Kürzung der Renten wie auch der Anwartschaften vor. Sie betrugen in Summe aller 17.200 Versicherten 122,8 Millionen Euro.

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Joachim Stengel hat nach eigenem Bekunden von all dem nichts mitbekommen. „Ich bin auch nie informiert worden“, bis eben zu dem Tag Anfang Oktober, als der besagte Brief in seinem Briefkasten lag. Die Caritas Pensionskasse hatte ihm darin auch die Gründe für ihre Finanznöte dargelegt. Da war von Problemen mit der anhaltenden Niedrigzinsphase aber auch von eigenen Managementfehlern die Rede. „In der Rückschau wurden die Rahmenbedingungen und Risiken sowie Niedrigzinsen falsch eingeschätzt und insofern nicht ausreichend berücksichtigt“, heißt es u.a. in dem Schreiben. Hinzu seien Fehler in der Tarifkalkulation gekommen. Offenbar ging der damalige Vorstand lange Zeit von viel zu positiven Entwicklungen aus. Die „Süddeutsche Zeitung“ schrieb dazu im Frühjahr mit Verweis auf Caritas-Kreise: „Schon 2006 habe es einen Fehler bei der Formel gegeben, mit der die Chancen und Risiken einer Versicherung hochgerechnet werden, aus der sich dann Beiträge, Rückstellungen und Auszahlungen ergeben. Dieser Fehler sei sehr lange unentdeckt geblieben.“

Essener Rentner beklagt, dass es keinen Rettungsschirm für Fälle wie ihn gibt

In der Regel sind bei Pensionskassen Betriebsrenten versichert. Wenn sie in Schieflage geraten, wie jetzt die Caritas-Kasse, dann muss in der Regel der Arbeitgeber für die Ausfälle einspringen. Doch da Joachim Stengel als Selbstständiger einen privaten Altersvorsorgevertrag abgeschlossen hat, steht er nun im Regen. Dass es für solche Fälle keinen Rettungsschirm gibt, ist für ihn unfassbar. „Für Banken und große Konzerne springt die Regierung ein“, fügt er etwas polemisch hinzu. Rentner wie er würden alleine gelassen. „Was ist das für ein Land, das nicht einmal für die Sicherheit der Renten seiner Bürger sorgen kann?“ Das Schlimmste für ihn sei die Hilflosigkeit.

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Joachim Stengel hat an Bundeskanzlerin Angela Merkel geschrieben, auch an Bundestagsabgeordnete, um auf seinen Fall aufmerksam zu machen. Eine wirkliche Antwort erwartet er nicht. „Ich möchte nicht wissen, wie viele Pensionskassen das noch betrifft“, sagt er. Tatsächlich stehen derzeit mehrere Pensionskassenbei der Bafin unter einer „intensivierten“ Aufsicht. Laut Stiftung Warentest waren dies zuletzt 31 Kassen von insgesamt 139 und damit fast ein Viertel aller Kassen. Bislang haben neben der Caritas-Pensionskasse zwei weitere ihren Versicherten bereits die Leistung gekürzt.

Bleibt es bei seiner drastischen Rentenkürzung zum 1. Januar, und danach sieht es wohl oder übel aus, dann wird Joachim Stengel nicht anderes übrig bleiben: „Ich muss wieder arbeiten.“

Die Stiftung Warentest hat auf ihrer Webseite mehr Informationen für Versicherte in Pensionskassen zusammengetragen.