Essen. „Secrets“-Schau im Soul-of-Africa-Museum erzählt von geheimen Ritualen und magischen Kräften. Ein Sarg birgt ein noch streng gehütetes Geheimnis.
Wenn Henning Christoph einmal in der Woche mit König Fon Sentieh II, dem Herrscher von Oku, telefoniert, dann rückt das höchstgelegene Königreich des kamerunischen Graslands ganz nah. Den kurzen Draht zum afrikanischen Kontinent pflegt der Essener Ethnologe und Inhaber des Soul-of-Africa-Museum nicht nur nach Oku, wo er inzwischen sogar das Amt eines „Kulturministers“ bekleidet. Der 75-Jährige ist auf seinen vielen Reisen in den vergangenen Jahren mit so vielen Kulturen und Zeremonien in Berührung gekommen, dass er in seiner aktuellen Ausstellung „Secrets“ Glaubensvorstellungen und Kultgegenstände von Geheimbünden vorstellen kann, die Außenstehenden normalerweise gar nicht zugänglich sind.
Ein Heiler reist an, um den Sarg in einer Zeremonie öffnen
Umzugs-Debatte geht weiter
Das Soul-of-Africa-Museum betreibt der Fotograf und Ethnologe Henning Christoph bereits seit über 18 Jahren. Seine Sammlung gilt als bundesweit einzigartig.
Schon seit Jahren ist ein Umzug des Museums an die Martinstraße in Rüttenscheid im Gespräch. Dort hat Innogy dem Betreiber das ehemalige RWE-Schalthaus in Aussicht gestellt, wo die Sammlung auf 1500 Quadratmetern präsentiert werden könnte. Die Finanzierung ist allerdings strittig. Ende September hat die Stadt einen Antrag zur Förderung des Soul-of-Africa-Museums bei der Bezirksregierung Düsseldorf gestellt, um mögliche Gelder aus dem Investitionspakt „Soziale Integration im Quartier 2020“ abzurufen.
Die Ausstellung „Secrets“ ist bis zum 28. Juni 2020 an der Rüttenscheider Str. 36 zu sehen. Öffnungszeiten: Do/Sa/So 14-18 Uhr, Fr 18-22 Uhr. Eintritt 8/6/4 Euro.
Streng geheim ist beispielsweise noch, was sich in dem Sarg befindet, den die haitianische Geheimgesellschaft Bizango dem Afrika-Kenner für die Ausstellung überlassen hat. „Erst im November wird ein Heiler nach Essen kommen, um den Sarg in einer Zeremonie zu öffnen“, berichtet Henning Christoph. So viel Aufwand kann nicht schaden, denn Bizango pflegt missliebige Gegner schon mal in willenlose Zombies zu verwandeln.
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Während zahlreiche Essener Sammlungsstücke wie Mami Wati, die „Wassergöttin“, in den kommenden Monaten im Hildesheimer Roemer- und Pelizaeus-Museum als Leihgabe zu Gast sind, setzt sich das Soul-of-Africa-Museum in der aktuellen Wechselausstellung „Secrets“ mit Kulten, Zeremonien und Gottheiten auseinander, die nicht nur Gutes im Schilde führen. Da sind die Gorillamasken der Fung-Bulu, nach deren Spuren der deutsche Ethnologe Günther Tessmann schon vor über hundert Jahren vergeblich in den Regenwäldern Kameruns gesucht haben soll. Viele Jahre später hat Christoph die letzte Zeremonie des Geheimbundes doch noch fotografieren können. Die Bilder und eine der bei den Zeremonien benutzten Giftkalebassen, aus denen mutmaßliche Hexen zur Überprüfung ihrer Unschuld trinken mussten, sind ebenso zu sehen wie eine 100 Jahre alte, von Hexenbünden genutzte Kannibalenschale oder die kleinen Reiterfiguren namens Putchu Guinadjis als Talismane gegen Wahnsinn.
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Abwehrgifte gegen Schadenszauber, Heilmedizin gegen Unfruchtbarkeit oder geheime Pflanzenmixturen für die reibungslose Bestattung von Toten: Dass in den afrikanischen Religionen für so ziemlich jedes Anliegen ein Kraut gewachsen ist, zeigt die „Secrets“-Schau. Und ermöglicht den Blick in eine archaische Voodoo-Welt, die doch längst nicht untergegangen ist. Christoph zeigt vielmehr, wie sich afrikanische Religionen, deren Ausübung durch die Kolonialmächte untersagt war, mit dem Katholizismus und den Glaubensvorstellungen der Ureinwohner Brasiliens, Kubas und Haitis verbunden haben.
Schnaps und Blumen für die Gottheiten
So präsentiert die dicht gedrängte Schau auch Mischreligionen wie die afrokubanische Religion Palo oder den afrobrasilianischen Kult Quimbanda, deren Gottheiten Exus und Pomba giras in der Ausstellung sehr weltlich mit Schnaps, Blumen und Parfüm bei Laune gehalten werden. Der Beniner Künstler Simon Soha hat der Wassergöttin Mami Wata einen schillernden Flaschenaltar gebaut. Und Ismaila Putuenchi, der „Meister des Feuers“, benutzt seine Bronzegießerkunst inzwischen auch als politischen Kommentar zu zeitgenössischen Themen wie Klimawandel, Aids und Armut. Wie seine kleine Trump-Figur mit den Teufelshörnchen die Weltkugel in den Abgrund schiebt, ist ein ebenso naiver wie trefflicher Kommentar auf den Zustand der Welt.
Henning Christoph zählt Putuenchis Arbeiten schon seit vielen Jahren zu seiner Sammlung. Wie er mit fast jedem Exponat ein persönliches Erlebnis verbindet. „Ich kenne die Geschichte jedes einzelnen Ausstellungsstücks“, kommentiert er die zur Zeit in vielen ethnologischen Museen geführte Debatte um die oft völlig ungeklärte Herkunft von Objekten aus der Kolonialzeit. Um die Herkunft der Halsketten, Elfenbeinfiguren und Trinkgefäße aus Antilopenhorn, die in Essen zu sehen sind, müsse man sich keine Sorgen machen, versichert Christoph. Die hat der König von Oku seinem Essener Kultur-Attaché persönlich übereignet. Im nächsten Jahr will der Museumschef wieder mal persönlich vorbeischauen.