Essen. 16-Jähriger aus Essen startet zu einer siebenmonatigen Reise nach Mittelamerika. Dabei stehen Segeln, Unterricht, Ausflüge und Sozialprojekte an.
Für Jonas Westerteicher beginnt in dieser Woche das Abenteuer seines Lebens: Der 16-Jährige aus Bergerhausen bricht am 12. Oktober zu einer siebenmonatigen Reise auf, die ihn auf dem traditionellen Großsegler Brigg Roald Amundsen über den Atlantik bis in die Karibik und nach Mittelamerika führen wird. Die Herausforderungen werden riesig sein.
Die kommenden sieben Monate werden von vielen neuen Eindrücken und vor allem vom Lernen geprägt sein: Jonas und seine jungen Mitsegler haben nämlich keineswegs schulfrei: Sie werden an Bord nach Lehrplan in Mathe, Physik, Biologie und Co., vor allem aber auch in Spanisch unterrichtet – um sich beim Aufenthalt in Gastfamilien in Mittelamerika wenigstens einigermaßen verständigen zu können.
Der 16-Jährige besucht die Gesamtschule Essen-Holsterhausen
Der Schüler der elften Klasse der Gesamtschule Holsterhausen ist Teilnehmer des Projekts „High Seas High School“, das das Hermann-Lietz-Internat auf der Nordseeinsel Spiekeroog seit 26 Jahren für Schüler der zehnten und elften Klassen anbietet. Insgesamt werden je 15 Schülerinnen und 15 Schüler im Alter von 14 bis 17 Jahren, vier Lehrer und 14 Crew-Mitglieder an Bord sein.
Der Alltag auf dem traditionellen, rund 50 Meter langen Zweimaster Brigg Roald Amundsen wird nichts mit dem Leben im Einfamilienhaus von Jonas’ Eltern mit kleinem Garten in Essen-Bergerhausen gemeinsam haben. Vorerst wird es für Jonas kein Abhängen in seinem Zimmer, keine Treffen mit Kumpels und der Freundin, kein Musizieren im Familienkreis – Jonas’ Mutter Stefanie Westerteicher ist Kantorin an der Essener Auferstehungskirche – geben. „Privatsphäre gibt es nicht auf dem Schiff“, ist sich Jonas bewusst. Übernachtet wird zu vier bis zwölf Personen in einer Koje.
Segelerfahrung ist nicht nötig
Segelerfahrung ist für die Atlantiküberquerung übrigens nicht nötig. Jonas Westerteicher ist zwar begeisterter Wassersportler, rudert, surft und ist Rettungsschwimmer. Gesegelt hat er aber nur ein bisschen auf dem Baldeneysee oder im Urlaub mit seinen Eltern. „Alles Wichtige auf hoher See muss ich lernen“, sagt der Schüler.
Jonas freut sich auf das Abenteuer. „Ja, natürlich bin ich aufgeregt. Aber diese Chance bekomme ich nur einmal im Leben. Diese Fahrt mache ich jetzt oder nie“, ist er überzeugt. Auf die Idee, sich für das Projekt zu bewerben, habe ihn ein Mitschüler gebracht, der den Törn bereits absolviert und davon in der Schule berichtet habe. Beworben hat sich Jonas dann im März, schon kurze Zeit später kam die Zusage.
Der Törn Richtung Mittelamerika kostet knapp 25.000 Euro
Mit knapp 25.000 Euro ist der Törn nicht gerade billig. Mutter Stefanie Westerteicher ist sich aber sicher, dass ihr Sohn die Herausforderung meistern, viel fürs Leben lernen und als anderer, reiferer Mensch zurückkommen wird. „Wir vertrauen der sehr erfahrenen Crew, die das seit vielen Jahren macht und für die die Sicherheit der Mitsegler oberste Priorität hat. Trotzdem ist mir natürlich irgendwie mulmig, wenn ich mir vorstelle, wie Jonas da in 38 Metern Höhe bei Sturm im Mast hängt.“
An Bord gibt es strenge Sicherheitsregeln, an die sich alle halten müssen. Dass er seekrank werden wird, ist Jonas schon im Vorfeld klar. „Das erwischt eigentlich jeden. Der eine überwindet es eher, der andere später, aber dann geht es meist“, sagt der 16-Jährige. Erste Hochsee-Erfahrung konnte er bei einem Übungstörn auf der Ostsee im Mai sammeln, der dazu diente, Schiff und Crew kennenzulernen – und es sich gegebenenfalls noch einmal anderes zu überlegen.
Schwer fallen wird Jonas der Abschied von seiner Freundin. „Sie ist natürlich nicht begeistert, dass ich das mache“, weiß er, dass die Fahrt auch eine Bewährungsprobe für die Beziehung wird – zumal ein täglicher Kontakt per Handy oder E-Mail nicht möglich sein wird. „An Bord müssen wir die Handys abgeben, das wäre zu viel Ablenkung. An Land dürfen wir sie nutzen“, so Jonas. Eltern und Freunde erfahren zwischendurch per Internet-Blog, wie es läuft.
Eine Plastikklarinette im Gepäck fürs gemeinsame Musizieren
Gegen die Langeweile dürfen die Jugendlichen ein Buch mitnehmen – jeder ein anderes, zwecks Austausch. Auch MP3-Player und Instrumente sind erlaubt. „Ich nehme eine wasserfeste Plastikklarinette mit, damit wir auf dem Schiff gemeinsam musizieren können“, sagt Jonas, der an Bord wie alle anderen auch zur Nachtwache, zum Kochen und Putzen eingeteilt werden wird.
Interessierte können Törns auf dem Großsegler buchen
Der Großsegler Brigg Roald Amundsen ist 51 Meter lang und verfügt über 850 Quadratmeter Segelfläche. Er wird vor allem für Jugend- und Bildungsreisen eingesetzt. Das Schiff wird vom Verein „Leben Lernen auf Segelschiffen“ in Eckernförde betrieben.
Wer Mitglied im Verein ist, kann sich für diverse Törns im Jahresverlauf anmelden – Vorkenntnisse sind nicht erforderlich, wohl aber Lust am Segeln, Teamfähigkeit und die Bereitschaft, an Bord mit anzupacken. Infos auf www.sailtraining.de
In dieser Woche gibt es noch eine große Abschiedsparty für Jonas mit Familie, Freunden und Schulkameraden. Dann werden Seesack und Trecking-Rucksack nach einer für alle Teilnehmer verbindlichen Liste gepackt. Am 12. Oktober heißt es in Kiel dann Abschiednehmen, auch von der 19-jährigen Schwester.
Jugendliche helfen als Sozialprojekt bei der Zuckerrohr-Ernte
Von Kiel geht es über Vigo/Spanien nach Teneriffa, wo die erste Herausforderung an Land wartet, die Besteigung von Spaniens höchstem Berg, dem Teide. Danach segelt das Team in rund 30 Tagen über den Atlantik nach Martinique in der Karibik. Weiter geht es nach Costa Rica und Panama, wo die Jugendlichen einen Monat in Gastfamilien verbringen werden. Unterwegs steht die Begegnung mit einer Partnerschule und die Teilnahme an Sozialprojekten, zum Beispiel bei der Zuckerrohr-Ernte an.
Über Kuba, die Bermudas und Azoren geht es dann zurück über Frankreich nach Wilhelmshaven. „Das Schiff hat für den Notfall einen Motor. Ziel ist es aber natürlich, so viel wie möglich zu segeln“, sagt Jonas, der neben dem Segeln auch Navigation und Wetterkunde erlernen wird. „Wenn ich zurück bin, kann ich als Matrose anheuern“, sagt Jonas und lacht.
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