Essen-Kettwig. Friedhelm Hüfing zapft in der Kettwiger Traditionskneipe „Am Eck“ Pils, Alt und Kölsch. Ein Gespräch mit dem Kneipier aus Leidenschaft.
Seit genau 50 Jahren dreht sich bei Friedhelm Hüfing beruflich alles ums Thema Alkohol – und vor allem ums Bier. Am 1. Oktober 1969 begann er, in einem Spirituosenhandel zu arbeiten, war über viele Jahre Brauereivertreter, und noch heute steht der 79-Jährige hinter dem Zapfhahn: in der Traditionskneipe „Am Eck“, mitten in der Altstadt.
75 Kneipen hatte Essens südlichster Stadtteil noch in den 60er Jahren. Jetzt ist gerade mal eine Hand voll übrig geblieben. „Kneipier zu sein, ist kein leichtes Geschäft. Erst das Rauchverbot, immer mehr Auflagen, steigende Bierpreise und das veränderte Freizeitverhalten der Gäste, das alles macht es uns nicht leicht. Früher standen sie in Sechserreihen vor meiner Theke. Das ist lange vorbei.“
Er war unter anderem Fassverkäufer bei der Hannen-Brauerei
Der gelernte Werkzeugmacher, Tischler und Kaufmann wurde quasi von der Straße weg engagiert. „Ich habe einem Freund, der Autohändler war, ausgeholfen und einem unschlüssigen Kunden gleich zwei Wagen verkauft. Und der holte mich ins Alkoholgeschäft.“
Bei Veltins hat er gearbeitet, war mit Rosemarie Veltins sogar per Du, war Fassverkäufer bei der Hannen-Brauerei, bei Dortmunder Kronen, bei der König-Brauerei und der Mülheimer Berg-Brauerei in Dümpten. „Die machte dann dicht, und ich stand mit 48 Jahren auf der Straße.“
Neustart und Seitenwechsel mit einer eigenen Gaststätte
Neustart und Seitenwechsel: In der Kneipenszene kannte er sich bestens aus, „und ich habe die ‚Jagdhütte‘ gekauft und aufwändig renoviert. Auch mit viel Eigenleistung. Das hat mich jede Menge Geld und Nerven gekostet.“ Die Gaststätte zwischen Kettwig und Heiligenhaus lief, „aber ich musste sie aus gesundheitlichen Gründen wieder abgeben. Ich stand damals kurz vor meinem zweiten Herzinfarkt. Die ‚Jagdhütte‘ war auch ein Restaurant, aber ich bin halt kein gelernter Koch, und das wurde einfach zu viel.“
Die Kneipenlandschaft hat sich verändert
So ganz ohne Kneipe ging’s dann aber doch nicht. Im Februar 1997 saß Friedhelm Hüfing beim Notar und unterzeichnete den Kaufvertrag für die Kettwiger Gaststätte „Am Eck“. Dort, an der Ecke Kaiserstraße und Hauptstraße, fließt seit fast 170 Jahren das Bier.
Gastronomie in Kettwig gestern & heute
Wer mehr über die örtlichen Kneipen erfahren möchte, findet in dem Buch „Gastronomie in Kettwig gestern & heute“ von Günter Voss zahlreiche interessante Hintergründe. Der Vorsitzende der Kettwiger Museumsfreunde hat die erste Buchversion 2012 überarbeitet.
Man erfährt u.a., dass die Stiege an der Kirchtreppe eines der ältesten Fachwerkhäuser in Kettwig ist und dort im 15. Jahrhundert ein Weber lebte. Das Parlament wurde im 17. Jahrhundert erbaut und diente als Poststelle.
Die „Jagdhütte“ in Heiligenhaus, die Hüfing eine Zeit lang betrieb, ist seit 1896 aktenkundig. Als die Eisenbahnstrecke zwischen Kettwig und Heiligenhaus 1926 in Betrieb genommen wurde, gab es dort Fahrkarten – und Bier für die Reisenden.
Und auch dieses Mal blieb kaum ein Stein auf dem anderen. „Alles wurde erneuert, in massiver Eiche. Und vieles auch mit eigener Hände Arbeit. Doch die Kneipenlandschaft ging immer mehr den Bach runter. Und ich habe ja auch mittlerweile das gehobene Rentenalter erreicht, und meine Gesundheit macht auch nicht mehr mit.“
Im nächsten Frühjahr soll Schluss sein
Vor vier Jahren hat er das „Eck“ verkauft. Der neue Besitzer hat ihm aber versichert, „dass ich so lange hinter dem Tresen stehen kann, wie ich möchte. Aber im nächsten Frühjahr werde ich 80. Das ist vielleicht ein guter Zeitpunkt, um Schluss zu machen.“
Hüfing kann sich noch gut an das erste Bier erinnern, das er getrunken hat. „Das war an Karneval. Bei Hähnchen-Willi in Werden. Ich war 17 und habe mir drei oder vier ‚Krefelder‘ genehmigt. Alt mit Malzbier. Und am nächsten Tag hatte ich ordentlich Krabbeln im Kopf.“ Heute zapft er Pils, Alt und Kölsch. Und manchmal gibt es auch frisch gebratene Frikadellen im „Eck“. „Ich habe in den vergangenen 50 Jahren viele Pächterwechsel erlebt. Ich selbst bereue keine Sekunde, aber die Zeit der Kneipe ist vorbei.“
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