Essen. CDU und SPD in Essen wollen eine Busspur auf der Ruhrallee und eine Radverbindung Werden-Innenstadt - aber nur wenn sich für Autos nichts ändert.

Schau-Antrag ohne Wert oder doch mehr? Für FDP und Grüne im Rat der Stadt ist die Sache klar, wenn auch aus unterschiedlicher Motivlage: Der Prüfauftrag von CDU und SPD an die Stadtverwaltung für eine Busspur auf der Ruhrallee und für eine durchgehende Fahrrad-Verbindung von Werden in die Innenstadt gelten als unrealistisch, solange der Antrag die Einschränkung enthält, dem Autoverkehr nichts wegzunehmen.

„Wie soll das gehen?“, fragt Grünen-Ratsherr Christoph Kerscht. Der städtische Raum sei nun mal nicht beliebig vermehrbar, wer den Autofahrern keine Fahrspur entziehen will, müsste die alten Alleebäume fällen oder die Vorgärten der Häuser abräumen, um Platz für die Busspur zu schaffen. „Das will natürlich keiner.“ Fazit von Kerscht: „Ein Alibi-Antrag, der folgenlos bleiben wird.“

FDP trauert dem Ruhrallee-Tunnel als verpasster Chance nach

So sieht es auch FDP-Fraktionschef Hans-Peter Schöneweiß. Das Ruhrallee-Problem sei vor 30 Jahren lösbar gewesen. „Damals wurde der Bau eines Ruhrallee-Tunnels mehrheitlich abgelehnt.“ Nur dieser hätte seinerzeit die Chance geboten, oberirdische Fahrspuren für andere Zwecke zu verwenden. Anders als die Grünen, will die FDP die Autofahrer nicht schlechter gestellt wissen. „Das wäre unverantwortlich, schon jetzt gibt es doch viele Staus.“ Würde man die Zahl der Fahrspuren verringern, bräche das Chaos aus oder es würden andere Straßen weit stärker belastet als jetzt.

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Für den Grünen-Verkehrsexperten Christoph Kerscht ist der Antrag ein Ausdruck von Ratlosigkeit in den Ratsfraktionen von CDU und SPD. „Allen soll es recht gemacht werden, und am Ende weiß jeder, dass nichts passieren wird.“ Die Grünen würden hingegen mehr Stau-Zeit für Autos für eine Busspur in Kauf nehmen. „Wer im Stau steht und sieht, dass der Bus in kurzer Taktung an ihm vorbeifährt, überlegt sich vielleicht irgendwann, es doch einmal mit dem Bus zu versuchen.“ Ähnlich unrealistisch wie der Ruhrallee-Plan ist für Kerscht eine durchgehende Rad-Verbindung von Werden zur Innenstadt. Auch dies gehe nur, wenn man Straßenraum umverteile.

CDU weiß, dass die Durchsetzbarkeit der Pläne wenig wahrscheinlich ist

CDU-Ratsherr Ulrich Beul, einer der Autoren des Ratsantrags, räumt ein, dass die Realisierbarkeit der Vorschläge wegen der beschriebenen Schwierigkeiten nicht gerade groß ist. Dennoch wolle man sie von den Fachleuten der Stadtverwaltung geprüft wissen. „Wenn die Verwaltung dann sagt, es geht nicht, geht es eben nicht.“ Beul verteidigte die Maßgabe, dem Autoverkehr nichts wegzunehmen, weil dies den autofahrenden Bürgern gegenüber nicht zumutbar sei.

Als Scheinantrag will er die Initiative dennoch nicht gewertet wissen. „Das hieße ja, wir wüssten schon, dass es nicht klappt.“ Und das sei nicht so. Auch SPD-Fraktionschef Ingo Vogel will mit dem Prüfauftrag „einen weiteren Punkt für den Verkehr von morgen setzen“. Wenngleich klar sei: „Wir sind noch lange nicht fertig. Aber es geht voran.“

Radfahrer-Lobbyist spricht von ausgeprägter Doppelzüngigkeit

Jörg Brinkmann, Sprecher der Fahrradverbandes ADFC in Essen, schwillt bei solchen vagen Worten der Kamm: „Dass der Prüfauftrag von CDU und SPD, separate Spuren für Bus- und Radverkehr auf Ruhrallee und Alfredstraße einzurichten, von einer ausgeprägten Doppelzüngig­keit geprägt ist, wird jedem halbwegs Ortskundigen sofort offenkundig.“ Der Zusatz, dem Autoverkehr keinerlei Beschränkungen aufzuerlegen, versetze dem Vorhaben der GroKo „gleich wieder den Todesstoß“.

Auch als Zeichen des guten Willens in Richtung Verhinderung von Fahrverboten sei der Antrag nutzlos: „Glaubt man in der GroKo tatsächlich, dass das Gericht in Gelsenkirchen bei seiner Entscheidung über Fahrverbote in Essen dieses durchsichtige Manöver nicht durchschaut?“

Autoverkehr soll in Essen sinken.

Nach dem vom Rat beschlossenen Handlungskonzept zum Verkehr soll bis zum Jahr 2035 in Essen der motorisierte Individualverkehr - bezogen auf die Zahl der Strecken - nur noch 25 Prozent betragen. Dieses Ziel kollidiert derzeit mit dem tatsächlichen Fahrverhalten, die Essener wählen mit sogar leicht steigender Tendenz weiterhin das Auto, das einen Anteil von über 60 Prozent hat.

Fußverkehr, Bus und Bahn sowie der Radverkehr sollen sich die anderen 75 Prozent des Verkehrs teilen. Unter Druck wird die Stadt auch durch Gerichtsurteile in Bezug auf die Diesel-Abgase gesetzt. Fahrverbote stehen im Raum, wenn die Stadt nicht glaubwürdig klarmacht, dass sie den Autoverkehr reduziert.