Essen. Im Februar erlitt ein Junge bei einem U-Bahn-Unglück lebensgefährliche Verletzungen. Jetzt wurden die Ermittlungen gegen den Fahrer eingestellt.

Der tragische U-Bahn-Unfall, bei dem ein 13-jähriger Junge im Altenessener Norden 200 Meter von der Bahn mitgeschleift und dabei lebensgefährlich verletzt wurde – er wird wohl nicht zum Thema vor Gericht: Sieben Monate nach den dramatischen Ereignissen hat die Essener Staatsanwaltschaft jetzt das Ermittlungsverfahren gegen den damaligen Fahrer eingestellt.

Fahrlässige Körperverletzung – dieser Vorwurf hatte im Raum gestanden. Doch wie die Sprecherin der Behörde, Oberstaatsanwältin Anette Milk, auf Anfrage bestätigte, konnten die Ermittler bei ihren Recherchen „kein strafrechtlich vorwerfbares Verhalten“ feststellen. Nach ihrer Einschätzung war der Unfall von Fahrerseite schlicht „nicht vermeidbar“.

Auch die Notbremsung wäre für den Jungen zu spät gekommen

Als Grundlage für diese Schlussfolgerung dient ein von der Staatsanwaltschaft beauftragtes unabhängiges Gutachten. Danach war für den Mann am Steuerpult nicht erkennbar, dass sich der Junge in der Tür verfangen hatte und von der Bahn mitgeschleift wurde. Das Notsignal sei erst 21 Sekunden nach der Anfahrt von der Haltestelle II. Schichtstraße ausgelöst worden, als die Bahn sich bereits im Tunnelmund befand. Für diesen Fall schreiben die Richtlinien den Fahrern vor, bis zur nächsten Station weiterzufahren.

Vier Tage lang schwebte der 13-jährige Schüler nach dem U-Bahn-Unglück in Lebensgefahr. Inzwischen geht es ihm den Umständen entsprechend wieder besser.
Vier Tage lang schwebte der 13-jährige Schüler nach dem U-Bahn-Unglück in Lebensgefahr. Inzwischen geht es ihm den Umständen entsprechend wieder besser. © KDF-TV | Foto: Witte

An genau diese Vorschrift hielt sich der damals 62-jährige Ruhrbahn-Fahrer, der mit 38 Dienstjahren auf dem Buckel ausgesprochen erfahren im Umgang mit Mensch und Material war. Selbst wenn er – ausdrücklich vorschriftswidrig – eine Notbremsung vorgenommen hätte, wäre für den 13-Jährigen nichts gewonnen gewesen. Denn er lag „zum Zeitpunkt des Notsignals bereits schwer verletzt im Gleisbett“, so zitiert Oberstaatsanwältin Milk aus dem Einstellungsbescheid.

Warnaufkleber an allen Türen und ein Erklär-Video bei Youtube

Um vergleichbare Unglücke zu vermeiden, hat die Ruhrbahn schon vor Monaten reagiert. So ließ sie an allen Bussen und Bahnen Aufkleber mit einem Warn-Piktogramm anbringen. Es soll verhindern, dass Fahrgäste versuchen, einen Bus oder eine Bahn dadurch aufzuhalten, dass sie etwas in eine sich schließende Tür stecken: Hände oder Füße, Regenschirme oder Kinderwagen.

Denn wenn die innenliegenden Lichtschranken nicht unterbrochen werden und das, was da von außen in die Tür gesteckt wird, nicht ausreicht, um die Drucksensoren in den Gummilippen der Türen auszulösen, bleibt die Tür geschlossen. Diese Info hat die Ruhrbahn seit dem Unglück versucht, in zahlreichen Schulen publik zu machen. Außerdem wurde ein Erklär-Video bei Youtube veröffentlicht.

Eine Privatklage gilt als eher unwahrscheinlich

Dem 13-jährigen Jungen, den OB Thomas Kufen noch im Juni besucht hatte, wird das nicht helfen. Er befindet sich, so hieß es damals, auf dem Weg der Genesung. Theoretisch böte das Strafrecht den Eltern des Opfers zwar noch die Möglichkeit, sich gegen die Einstellung des Verfahrens zu beschweren oder eine sogenannte Privatklage anzustrengen. Von diesem Mittel wird allerdings ausgesprochen selten Gebrauch gemacht.