Essen. Im Essener Ehrenmord-Prozess hat ein weiterer Angeklagter eingeräumt, das Opfer schwer traktiert zu haben - durch Kopftritte und Messerstiche.

Damit hatte wohl kaum noch einer gerechnet: Im Prozess um einen versuchten Ehrenmord in Essen hat am Mittwoch nun auch Mostafa M. sein Schweigen gebrochen – acht Monate nach Verhandlungsbeginn. Der 23-Jährige gilt als einer der Haupttäter. Jetzt gibt er fast alles zu.

Mit der teilweisen Skalpierung des Opfers will er nichts zu tun gehabt haben

„Ich habe mehrfach mit dem Fuß gegen den Geschädigten getreten“, ließ er seinen Verteidiger vor dem Essener Schwurgericht vortragen. Dann habe er zu einer Holzlatte gegriffen und schließlich auch zu einem Messer. „Ich hatte geplant, ihn in den Oberschenkel zu stechen. Leider habe ich ihn in den Bauch getroffen.“ Mit der ebenfalls angeklagten Teilskalpierung des Opfers will er dagegen nichts zu tun haben. Das müsse ein anderer gewesen sein.

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Es war die Nacht auf den 31. Mai 2018, als das Opfer – ein 19-jähriger Syrer – in einem Essener Hinterhof fast totgeschlagen wurde und schwere Schnittverletzungen am Kopf erlitten hatte. Seit Januar müssen sich deshalb zwölf Mitglieder einer syrischen Großfamilie sowie ein nicht verwandter Bekannter in Essen vor Gericht verantworten. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass der 19-Jährige sterben sollte, weil er ein Verhältnis mit einer jungen Frau aus der Familie hatte, die bereits nach islamischem Ritus verheiratet war.

Angeklagter gibt an, „wie im Rausch“ den 19-Jährigen angegangen zu sein

Genau das hat Mostafa M. am Mittwoch jedoch bestritten. „Ich wollte ihn nur schlagen“, ließ er die Richter wissen. „Ich wollte nicht, dass das so ausartet.“ Er sei einfach wütend und aufgebracht gewesen – vor allem wegen seines Kokainkonsums. „Ich war wie im Rausch.“

Einer der anderen Angeklagten hatte während der Tat ein Handy-Video gedreht, auf dem auch der 23-Jährige zu sehen ist. Auch das hat er im Prozess nun bestätigt – mit genauen Minuten- und Sekundenangaben. Er sei der mit dem hellen Poloshirt und Turnschuhen. Dass es um die Ehre der Familie ging, wollte er vor Gericht nicht bestreiten. „Nach meinem Verständnis gehört sich eine Beziehung zu einem anderen Mann nicht, wenn man verheiratet ist“, so der mutmaßliche Haupttäter. „Es ist nicht gut, wenn eine außereheliche Beziehung geführt wird. Nicht gut für die Person und nicht gut für die Familie.“

Vater des Mädchens, das ein Verhältnis mit dem Opfer hatte, sagte erstmals aus

Auch der Vater des verheirateten Mädchens hat sich am Mittwoch erstmals zu Wort gemeldet. Auch er hat zugegeben, dass er damals mit vor Ort war. Auch er sei sauer gewesen, weil das spätere Opfer Fotos im Internet veröffentlicht haben, auf denen auch seine Tochter zu sehen sei. Genau damit habe der 19-Jährige vorher gedroht, um seine Tochter zur Scheidung zu drängen.

Dass der junge Freund seiner Tochter geschlagen oder gar getötet werden sollte, sei aber nie besprochen worden. „Das entspricht auch nicht meiner Art, Probleme zu lösen.“ Er sei in der Tatnacht nur deshalb von seiner Wohnung in Viersen nach Essen gefahren, weil er gedacht habe, dass noch einmal über das Thema Scheidung gesprochen werden sollte. Dort angekommen, hätten sich die Ereignisse aber auch schon überschlagen. „Es war ein totales Durcheinander“, so der Vater. „Ich bin hin und her geschubst worden.“ Er selbst habe aber weder geschlagen noch getreten und sei auch nicht einverstanden gewesen, mit dem was passiert sei. „Ich habe die anderen mehrfach aufgefordert, aufzuhören.“

Neue Verhandlungstage bis in den Januar

Die Richter am Essener Schwurgericht hatten eigentlich vor, den Prozess im Oktober zu beenden. Inzwischen sind jedoch neue Verhandlungstage bis in den Januar festgelegt worden. Einige der anderen Angeklagten haben ebenfalls Geständnisse abgelegt, andere schweigen weiterhin.