Essen. Der schwer kranke Fynn (11) ist das 1000. Kind, das in der Essener Protonentherapie behandelt wurde. Er litt an gleich zwei Hirntumoren.

Es war eine denkwürdige Phase für Fynn. Gerade eben hatte der schwerkranke Elfjährige einen entscheidenden Teil seiner Therapie abgeschlossen. Die beiden Tumore in seinem Kopf hatten auf die Chemotherapie reagiert, die Erleichterung bei Fynn und seiner Familie war unbeschreiblich groß. Dann begann die Bestrahlung mit Protonen in Essen. Und plötzlich kamen etliche Klinik-Mitarbeiter zu ihm, um noch aus einem ganz anderen Grund zu gratulieren: Fynn ist das 1000. Kind, das im Westdeutschen Protonentherapiezentrum an der Essener Uniklinik behandelt worden ist.

Die Krankengeschichte von Fynn ist eine ganz besondere. Wenn seine Mutter Ann Kathrin Schubert darüber erzählt, wird schnell deutlich, wie sehr die Familie in den vergangenen Monaten gebangt und gehofft hat. Ihre Stimme pendelt auch heute noch zwischen Erleichterung und Ergriffenheit. Dass irgendetwas nicht mit dem Jungen stimmte, war klar, als er häufig müde und abgeschlagen war, als er überempfindlich auf Gerüche reagierte und immer mehr trinken wollte.

Bis zu zwölf Liter Wasser hat Krebspatient Fynn am Tag getrunken

„Es standen bis zu drei Wasserflaschen an Fynns Bett und trotzdem lief er nachts ständig zum Wasserhahn“, erzählt seine Mutter. Die ersten Untersuchungen brachten keine Klarheit, Fynns Verlangen nach Flüssigkeit nahm weiter zu. „Bis zu zwölf Liter hat er am Ende täglich getrunken. Mein Mann hat 14 Wasserkästen in der Woche für unsere Familie gekauft.“ Dann, es war Anfang des Jahres, die Diagnose: Zwei Hirntumore, jeweils rund zwei Zentimeter groß, setzten dem Jungen so zu.

Bewegender Moment: Fynn (11) darf die Glocke läuten. Das ist das Zeichen dafür, dass seine Therapie beendet ist und er nach Hause darf. Es applaudieren seine Mutter Ann Kathrin Schubert und Jürgen Höning aus dem Westdeutschen Protonentherapiezentrum. 
Bewegender Moment: Fynn (11) darf die Glocke läuten. Das ist das Zeichen dafür, dass seine Therapie beendet ist und er nach Hause darf. Es applaudieren seine Mutter Ann Kathrin Schubert und Jürgen Höning aus dem Westdeutschen Protonentherapiezentrum.  © UK Essen

Familie Schubert kommt aus Niedersachsen, sie lebt in der Nähe von Celle. Zunächst wurde Fynn in Hannover behandelt, dort bekam er eine Chemotherapie. „Aber die Ärzte haben sofort gesagt, dass er anschließend zu einer Protonentherapie nach Essen soll“, sagt die Mutter.

Es gibt nur fünf Protonentherapiezentren in ganz Deutschland

Das Protonentherapiezentrum an der Uniklinik ist eines von nur fünf dieser Art in Deutschland und das einzige in der Region Nord-/Westdeutschland. „Zu uns kommen Patienten aus vielen Ländern Europas“, sagt Prof. Beate Timmermann, die Ärztliche Leiterin. Seit der Eröffnung der Essener Protonentherapie im Jahr 2013 sei die Nachfrage ständig gewachsen. Timmermann rechnet damit, dass die Bedeutung dieser Behandlung für Krebspatienten weiter zunehmen wird.

„Die Protonentherapie ist eine sehr moderne und präzise Form der Strahlentherapie. Es muss nicht jeder Tumor mit Protonen bestrahlt werden, aber bei bestimmten Arten bietet sich diese Behandlung an“, sagt die Ärztin. Tumore im Gehirn und Kopf-/Halsbereich zählten von Anfang an dazu. Auch Befunde an der Wirbelsäule oder im Becken können so behandelt werden, beispielsweise Sarkome oder Prostata-Karzinome. In diesem Jahr kamen Patienten mit beweglichen Tumoren im Brustkorb oder in der Leber dazu. Und eben viele krebskranke Kinder werden hier therapiert.

Die Protonentherapie gilt als besonders schonende Form der Krebsbehandlung

Der Vorteil für all diese Patienten: Die Protonentherapie gilt als besonders schonende Form der Krebsbehandlung. Hier können die Strahlen direkt auf das Tumorgewebe gerichtet werden, das zerstört werden soll. Dahinter liegendes gesundes Gewebe bleibt unberührt. „Im vergangenen Jahr sind bei uns 500 Patienten behandelt worden, im Durchschnitt bekommt jeder 30 Bestrahlungen“, sagt Beate Timmermann.

Die Ärztliche Leiterin rechnet damit, dass die Essener Protonentherapie noch einige Jahre weiter ausgebaut wird. 2013 ist sie mit einem Behandlungsraum gestartet, heute sind vier Räume in Betrieb.

Erste Erfolge in den 1950er-Jahren

Im Westdeutschen Protonentherapiezentrum an der Essener Universitätsklinik wurden allein im vergangenen Jahr ungefähr 500 Patienten behandelt. Durchschnittlich bekommt jeder Patient 30 Bestrahlungen.

Weitere Protonenzentren gibt es in München, Heidelberg, Dresden und Marburg. Erste Behandlungserfolge erzielten Ärzte mit dieser Therapieform in den 1950er-Jahren in den USA.

Fynn, der tausendste Kinder-Patient, und seine Mutter Ann Kathrin Schubert sind zurück zu Hause in Norddeutschland. Sie hoffen, den Kampf gegen den Krebs überstanden zu haben und blicken nach vorne. Fynn freut sich, dass er bald wohl wieder in die Schule darf, er besucht die sechste Klasse. In Kürze wollen sie ein kleines Fest für die ganze Klasse ausrichten. Es soll ein Grillnachmittag werden. Aber irgendwie auch eine Geburtstagsfeier. Fynn möchte feiern, dass er lebt.

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