Essen. Eine 84-jährige Essenerin reist nach Ghana, um Entwicklungshilfe zu leisten. Neben zwei großen Koffern nimmt die Seniorin auch den Rollator mit.
Die Mitarbeiterin des CSE-Pflegezentrums, die sich um Helga Kleinkowski kümmert, staunte nicht schlecht: Die alte Dame, die auf einen Rollator angewiesen ist, plant eine Reise nach Ghana. Keine große Sache, findet die 84-Jährige: Sie habe ihr halbes Leben in Ghana verbracht und es gebe dort noch immer genug zu tun. Am 6. September fliegt sie wieder hin, für mindestens zwei Monate – den Rückflug hat sie noch nicht geplant.
Helga Kleinkowski ist Juristin, doch nach dem zweiten Staatsexamen lehnte sie eine Stelle im öffentlichen Dienst ab. Getrieben von der plötzlichen Erkenntnis: „Ich will mit meinem Leben etwas machen, das sich lohnt.“ Die junge, katholische Frau geht nach London zu einem Jesuiten, der Afrikaner in Sozialarbeit ausbildet, damit sie später in ihren Heimatländern arbeiten. Die 30-Jährige aus Essen passt nicht in das Profil der Einrichtung, doch sie wird aufgenommen. „Die einjährige Ausbildung habe ich durch Putzen finanziert.“
1962 reist sie mit dem Schiff zum ersten Mal nach Afrika
Anschließend kehrt sie nach Deutschland zurück, wird 1962 von der Kirche nach Ghana entsandt. Sie reist mit dem Schiff an, hat Kisten mit Töpfen und Hausrat dabei. In der Hauptstadt Accra beauftragt der Bischof sie, die Schwestern zu unterrichten, was sie ein Jahr lang tun wird.
Seither hat Helga Kleinkowski zwar mit kirchlichem Segen, aber stets in Eigenregie gearbeitet. Sie gründet eine Schule, das Social Advance Institute, mit Koch-, Schneider- und Büroausbildung. Sie ist Schulleiterin (Principal), aber nur so lange, bis sie einen einheimischen Lehrer als Principal eingearbeitet hat.
Sie unterrichtet, baut Kirchen und Schulen
Sie bleibt im Land, lernt die Landessprache Twi, gründet weitere Schulen sowie Vereine christlicher Mütter, redet mit den Frauen über Familie und Geburtenkontrolle. Sie baut sieben Kirchen, weil der Glaube sie trägt, „und weil sich die Menschen, die mitten im Busch leben, oft einsam fühlen“. Für sie seien die Kirchen Treffpunkte, zu denen man auch dann kommt, wenn der Pfarrer krank ist und die Messe ausfällt.
Aus Helga Kleinkowski wird Sister Akosua: die Schwester, die an einem Sonntag geboren ist. Sprich: „Die auf der Seite des Glückes steht.“ Bis heute verkörpere Deutschland für viele Ghanaer die Seite des Glücks, sie träumen davon, eines Tages herzukommen. Und Helga Kleinkowski arbeitet daran, dass sie in ihrem Heimatland bleiben können, bleiben wollen: „Dass sie eine Arbeit bekommen, die sie ernährt.“
Für sich selbst braucht die Seniorin nicht viel
Sie selbst habe immer gearbeitet, um ihre Projekte zu finanzieren, schließlich stehe sie nicht in kirchlichem Dienst. Doch die Kirche hält eine schützende Hand über sie: Sie hat lebenslanges Wohnrecht in einem Haus in Ashaiman in der Nähe von Accra, das der Kirche gehört. Und sie war über „Misereor“ rentenversichert.
Familie und Bekannte unterstützen ihre Projekte
Helga Kleinkowski sagt, sie habe ihre Projekte in Ghana in der Regel durch ihre Arbeit selbst finanziert und nicht durch Spendenmittel. Es gebe allerdings immer wieder Freunde, Bekannte und Verwandte, die sie mit kleineren Summen unterstützen.
Da sie persönlich kein Geld annimmt, bittet sie stets, solche Spenden auf das Konto der Steyler Mission in St. Augustin zu überweisen: Steyler Bank GmbH, IBAN: DE 7738 6215 0000 0001 1009, Stichwort: „Für Ghana Kleinkowski“.
Die Rente hat es ihr auch erlaubt, vor ein, zwei Jahren nach Deutschland zurückzukehren, als ihr Bruder und ihre Schwägerin erkranken. Nun lebt sie, nach so vielen Jahrzehnten, wieder in Essen-Stadtwald. Ihre kleine Seniorenwohnung ist karg eingerichtet, für sich selbst braucht die 84-Jährige nicht viel. Auf dem Tisch liegen nur die liebevollen Fotoalben, die ihr Schüler und Mütter-Vereine Jahr für Jahr geschenkt haben.
Sie möchte noch lernen, wie man Solar-Kochkisten herstellt
Und an der Wand hängt ein Foto von Tommy, der als Junge deformierte Beine hatte. Helga Kleinkowski hat dafür gesorgt, dass sie gerichtet werden. Ob sie froh sei, dass sie das geschafft hat für den Jungen? Die alte Dame schüttelt den Kopf: „Ich freue mich, dass es ihm gut geht.“ Ohnehin spricht sie nicht so gern über sich, über das, was sie geschafft hat: „Ich denke nur daran, was an einem Tag zu tun ist – und dann tue ich das.“
Wenn sie nun nach Ghana reist, ist Folgendes zu tun: Sie besucht ihr Pilzzucht-Projekt, will die Frage nach der Nährlösung klären: „Erst wenn die Frauen diese selbst herstellen können, werden sie wirklich unabhängig sein.“ Außerdem wolle sie sich um die „Hexen“ in Ghana kümmern: Frauen, die für das Unglück anderer verantwortlich gemacht werden, und geächtet sind. Und schließlich möchte sie Solar-Kochkisten, die in anderen afrikanischen Staaten schon verbreitet sind, in Ghana populär machen. „Um zu verhindern, dass der Wald dort weiter so rasant abgeholzt wird.“
Sie reist mit zwei schweren Koffern und einem Rollator nach Ghana
Helga Kleinkowski hat Aluminiumblech und schwarze Spezialfarbe eingepackt: „Ich möchte lernen, wie man die Kisten selbst herstellen kann.“ In ihrer Wohnung stehen nun zwei schwere Koffer bereit, die sie nicht bewegen kann. Doch während andere in ihrem Alter schon einem Tagesausflug mit Bangen entgegensehen, ist Helga Kleinkowski, die in Ghana längst „Grandma“ (Großmutter) genannt wird, unbesorgt. Sie weist nur darauf hin, dass das nicht alles Gepäck ist: „Den Rollator muss ich ja noch auch mitnehmen.“