Essen. Nach dem ersten Anbieter Lime mit 150 Rollern steht zumindest ein weiteres Unternehmen in den Startlöchern. Mit drei weiteren wird verhandelt.
Jetzt kann auch Essen zeigen, ob es auf alternative Mobilität abfährt: Der E-Scooter-Anbieter Lime hat am Donnerstag die ersten 150 elektrisch betriebenen Mietroller in der Innenstadt und den angrenzenden Vierteln freigeschaltet. Doch das ist nur ein erster Aufschlag, die wahre Welle des neuen Vortriebs, der kurz nach seinem Start bereits rege genutzt wurde, steht erst noch bevor: Nicht nur Lime will sein Angebot in den nächsten Wochen auf über 1000 Fahrzeuge deutlich erweitern, auch der Konkurrent Tier ein Stück vom Kunden-Kuchen abhaben, und mit drei weiteren Unternehmen ist die Stadt weiterhin im Gespräch. Deren Sprecherin Silke Lenz rechnet deshalb damit, dass bereits in nur wenigen Wochen mehrere tausend der Flitzer auf zwei Rädern in Essen unterwegs sein werden.
Eine App aufs Smartphone laden, den Roller für einen Euro Grundgebühr freischalten und anschließend fürs Fahren 20 Cent pro Minute bezahlen – so einfach ist’s bei Lime. Doch elektrisch motivierte Fortbewegung hat ihren Preis und ist alles andere als grenzenlos: Zusammen mit der Stadt hat Lime den Wirkungskreis seiner Fahrzeuge erst einmal auf die City, das Nord-, West-, Süd- und Ostviertel festgelegt. Außerhalb der Zonen, die auf der Handy-App eingezeichnet sind, lassen sich die Roller zwar fahren, weil eine Fernabschaltung technisch möglich, in Deutschland aber nicht erlaubt ist. Jedoch lassen sich die über GPS beobachteten Flitzer außerhalb dieser zugelassenen Bereiche nicht abschalten.
Außerhalb der zugelassenen Zonen lässt sich der Roller nicht abschalten
Was heißt: Wer soviel Zeit und Geld hat, dass er meint, von der Innenstadt beispielsweise bis nach Karnap düsen zu wollen, kommt dort zwar an, muss aber auch den Rückweg mit einkalkulieren. Denn außerhalb der Zulassungszonen lässt sich der E-Scooter nicht abschalten – die Kostenuhr würde weiterlaufen.
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Doch in erster Linie sind die Fahrzeuge für „die letzte Meile“ gedacht, machte Jashar Seyfi, Deutschlandchef von Lime, deutlich. Deshalb gebe man sich auch nicht der Illusion hin, dass Roller alleine für eine Verkehrswende und ein besseres Klima in den Städten sorgen könnten. Das sei allenfalls durch eine Addition klimafreundlicher Fortbewegungsmittel möglich, meint auch Essens Umweltdezernentin Simone Raskob, die überzeugt ist, dass die Fortbewegung mit den E-Scootern durchaus auch etwa mit Lebensfreude zu tun habe. Doch sie seien allenfalls eine „schöne Ergänzung“ hin zu einer größeren Verkehrswende.
Oberbürgermeister appelliert an gegenseitige Rücksichtnahme
Oberbürgermeister Thomas Kufen, der spontan mehrere Runden auf den auch für Fahrräder frei gegebenen Abschnitt auf dem Willy-Brandt-Platz drehte, teilte diese Einschätzung und appellierte an die gegenseitige Rücksichtnahme und Respekt: „Für mich gilt safety first.“ E-Scooter dürfen auf Straßen, auf Fahrradspuren und -trassen fahren. Auf Gehwegen aber sind sie schlicht verboten, in Essen zusätzlich auch in Parks und Grünanlagen. Da vielen diese Regeln allerdings fremd sein dürften, weil die Fahrzeuge ohne jede Schulung oder Prüfung bewegt werden dürfen, rechnen Polizei und Verkehrswacht mit höheren Unfallrisiken und auch Verletzten.
Lime kündigte an, alle zwei Wochen zusammen mit der Verkehrswacht kostenlose Trainings für je 30 Teilnehmer anbieten zu wollen. Die Termine finden sich in der Unternehmensapp. Doch nicht nur für Sicherheit, auch für Ordnung werde gesorgt: Abends werde ein Team die E-Scooter über GPS-Signale orten, einsammeln und aufladen. Die Vandalismus-Quote sei im Übrigen gering, meint Jashar Seyfi: „Unsere Scooter werden gut behandelt.“ Wohl auch deshalb, sagt er, sei Lime in Hamburg und Berlin nach zwei Monaten „profitabel unterwegs“.
Am Tag nach der Präsentation der neuen E-Scooter in der Essener Innenstadt stellte die Verkehrswacht entgegen der Ankündigung von Lime klar: Es sei nicht zutreffend, dass man mit Lime in Kontakt getreten sei, so deren Vorsitzender Karl-Heinz Webels. Insofern seien auch keine Trainings in Kooperation mit dem Verein geplant. Richtig sei, dass die Verkehrswacht Unfälle mit den E-Scootern befürchte. Daher werde man sich zusammen mit der Essener Polizei Gedanken machen, wie man Gefahren präventiv begegnen könne. „Für diesen Fall würden wir selbstverständlich auch weitere auf den Markt strömende Anbieter beteiligen“, so Webels.