Essen. Brände, Notrufe, Unfälle gehören zu ihrem Job: Drei von insgesamt nur elf Feuerwehrfrauen der Essener Berufsfeuerwehr berichten von ihrem Alltag.
„Die sind rot und es gibt sie“, bringt Saskia Smolenga ihr früheres Wissen über die Feuerwehr auf den Punkt. Das ist allerdings längst erheblich erweitert und die 34-Jährige inzwischen selbst im Einsatz: Die Oberbrandmeisterin gehört seit zehn Jahren zur Essener Berufsfeuerwehr – als eine von insgesamt elf Frauen unter rund 730 Männern.
Mag der Unterschied zwischen den männlichen und weiblichen Einsatzkräften zahlenmäßig groß ausfallen, in den Aufgaben und dem, was sie leisten, existiert er nicht: „Mit voller Montur ist ohnehin nicht erkennbar, ob Frau oder Mann drin stecken“, sagt Saskia Smolenga. Sie arbeitete zuvor als Krankenschwester im Uniklinikum und hatte vor dem Wechsel durchaus Respekt vor dem Sporttest, aber vor allem auch vor dem, was sie erwartet.
Körperliche Anstrengung nach der fünften Etage spürbar
Als sie entschieden hatte, aus der Pflege auszusteigen, dachte sie anfangs in Richtung Medizin. „Und dann kam es besser“, sagt sie heute. Natürlich sei die körperliche Anstrengung groß und im Einsatz nach der fünften Etage auch spürbar. Abgeschreckt hat sie das aber ebenso wenig wie ihre Kollegin Frauke Leben (34), die überzeugt ist: „Wenn man etwas wirklich will, dann schafft man das auch.“
Auf ihrem Berufsweg von der gelernten Zootierpflegerin über die Zwischenstation an der Kasse einer Tierfachhandels gilt das besonders: „Denn ich war überhaupt nicht sportlich“, erinnert sie sich lachend. Nach dem Einstieg bei der Freiwilligen Feuerwehr und dem Wunsch zur Berufsfeuerwehr zu wechseln, folgte ein straffer Trainings-Plan: Der bedeutete mehrmals die Woche laufen und schwimmen, Übungen am Seil („das habe ich im Baumarkt gekauft und bei Bekannten im Garten angebracht“) und am Ende den bestandenen Eignungstest. Inzwischen ist sie Gruppenführerin.
112: Vom eingerissenen Fingernagel bis zum Großbrand reichen die Anliegen
Derzeit übernimmt die Hauptbrandmeisterin Verantwortung in der Leitstelle. Vom eingerissenen Fingernagel bis zum Großbrand reichen die Anliegen derjenigen, die die 112 wählen – und es gibt Anrufer, die sie bitten, doch an einen richtigen Feuerwehrmann durchgestellt zu werden. „Derjenige hat dann zwei Mal angerufen und wieder aufgelegt“, berichtet die Feuerwehrfrau, die wie ihre Kolleginnen über Klischees schmunzeln kann.
Als Saskia Smolenga und Frauke Leben vor rund zehn Jahren zur Hauptwache an die Eiserne Hand kamen, da hätten manche ältere Kollegen durchaus erstmal geguckt, auch danach, was die Kolleginnen so schleppen können. Möglicherweise habe etwas anfängliche Unsicherheit dazu gehört, die jüngeren Kollegen würden es nun nicht mehr anders kennen. „Die Duschen sind natürlich getrennt, die Stimmung bei der Arbeit gelassen“, beschreibt Frauke Leben die Atmosphäre. Und wird sie als Feuerwehrmann bezeichnet, fühlt sie sich angesprochen statt beleidigt.
Urkunde bescheinigt Ausbildung zum Feuerwehrmann
Auch Lea Trapp (26) nimmt es nicht so ernst, wenn ihr in der Urkunde die Ausbildung als Feuerwehrmann bescheinigt wird. Denn selbst Bekannte oder Freunde hätten bislang immer nachgehakt, wenn sie die Frage nach dem Beruf beantwortete. „So richtig?“, lautet stets die Frage, die ihre Kolleginnen ebenso kennen. Die meisten denken wohl eher an einen Verwaltungsjob oder den reinen Rettungsdienst denn an Einsätze, bei denen die Feuerwehrfrauen Menschen aus verrauchten Fluren und brennenden Häusern retten.
Sätze wie „Schaffen Sie das?“ oder „Ich dachte, ich hätte die Feuerwehr gerufen“ bringen sie mitnichten aus der Ruhe. Denn die Betroffenen merken schnell, dass es sehr wohl geht. „Vielleicht haben wir nicht die dicksten Arme, aber dafür manchmal umso mehr Ausdauer“, sagen sie selbstbewusst. Und wenn sie schweres Gerät heben müssen, helfen sie halt mit dem Bein nach.
Körperliche Belastung wiegt so schwer wie das Ertragen menschlicher Schicksale
„Wir brauchen keine Quotenfrauen“
Die geringe Zahl der Frauen bei der Berufsfeuerwehr führt Ulrich Bogdahn auf die körperliche Anforderungen zurück, weiß aber: „Frauen, die das unbedingt wollen, machen ihr Ding.“ Deren Zahl ist zwar in den Vorjahren von fünf auf elf gestiegen und es gibt Feuerwehrfrauen im gehobenen Dienst als Wachabteilungsleiterin, „doch schon zehn Prozent zu erreichen, ist utopisch“, sagt der scheidende Feuerwehr-Chef.
Insgesamt gibt es wenige Bewerberinnen, nicht alle von ihnen schaffen dann den Test. Das gilt für Männer wie für Frauen auch in der anschließenden Ausbildung: „Gerade haben wir drei Männer aus unterschiedlichen Gründen aus dieser verabschiedet“, sagt Bogdahn. Mit Blick auf den durchaus vorhandenen Bedarf an geeigneten Kräften für die Berufsfeuerwehr, betont er: „Quotenfrauen brauchen wir nicht.“ Denn unabhängig vom Geschlecht, müssten alle den gleichen Job machen. Dazu gehöre auch, 95 kg schwere Personen aus dem fünften Stock zu transportieren.
Gleichwohl stellen alle drei klar, dass die körperliche Belastung keinesfalls zu unterschätzen sei. Schwer zu ertragen, seien aber gleichsam menschliche Schicksale, mit denen sie umgehen müssen, wenn sie zum Beispiel völlig verwahrloste Wohnungen betreten, erinnert sich Frauke Leben an Räume voller Rattendreck.
Saskia Smolenga weiß, dass Einsätze, bei denen Menschen tot aus dem Wasser geborgen werden, ihr schwer fallen. Dann ist sie dankbar, wenn die Kollegen übernehmen können. „Dafür habe ich wiederum kein Problem mit üblen Gerüchen in Rettungswagen“, berichtet die 34-Jährige aus dem Alltag. Und Lea Trapp erinnert sich genau, wie aufregend ihr erster Einsatz gewesen ist: ein schwerer Verkehrsunfall, bei dem ein Beteiligter starb. „In dem Augenblick funktioniert man einfach“, sagt die 26-Jährige, die seit August vergangenen Jahres zur Berufsfeuerwehr zählt.
Vom Sporttest hat sie sich nicht abschrecken lassen
Nach dem Abitur hat sie zunächst eine Ausbildung als Notfallsanitäterin absolviert und im Anerkennungsjahr bei der Essener Feuerwehr den Entschluss gefasst, Brandmeisterin zu werden. Vom Sporttest hat sie sich nicht abhalten lassen, da sie zuvor schon viel Sport wie Leichtathletik gemacht hat. Aber in der Ausbildung sei es dann doch etwas anderes und sehr anspruchsvoll gewesen, berichtet sie von ersten Übungen in voller Ausrüstung, bei denen sie im Wärmecontainer mit Feuer und den extremen Temperaturen konfrontiert worden ist.
Bevor ihr Berufsleben als Feuerwehrfrau begann, habe sie sich durchaus gefragt, wie das so sein werde unter so vielen Männern, ob da ein rauer Ton herrsche und wie sie darauf reagieren werde. Heute wischt sie alle Bedenken weg: „In der Praxis und vor allem im Einsatz selbst zählt nur die Person.“
Der Zusammenhalt unter den Einsatzkräften ist unschlagbar
Dass sie bei der Berufswahl alles richtig gemacht hat, steht für Frauke Leben schon lange fest – nicht nur, wenn sie an die Zeit an der Kasse zurückdenkt. Einen Glücksfall nennt auch Saskia Smolenga ihre Entscheidung. Ob Feuerwehrmann oder Feuerwehrfrau, ob im Einsatz mit dem Rettungswagen oder auf dem Löschfahrzeug: „Unser Zusammenhalt ist unschlagbar – wir sind halt eine Wache.“