Essen. Überfall in Essen war nicht das erste Verbrechen, dem Otto S. zum Opfer fiel. Mehrfach wurde der heute 90-Jährige bestohlen und auch misshandelt.
„Bist du schon wieder überfallen worden?“ Wenn Otto S. aus Essen-Freisenbruch bei dieser Frage nickt – und er musste schon oft nicken –, schließt sich meist ein „Das ist doch wohl nicht wahr...“ an. Doch ist es. Leider. Einbrüche, Raub, Diebstähle, körperliche Gewalt – so unglaublich es klingen mag: Der 90-Jährige musste schon so einiges ertragen, sagt, er sei in den vergangenen 13 Jahren insgesamt neun Mal zum Opfer von Kriminellen geworden, die ohne Rücksicht auf Verluste oder seine Gesundheit zur Sache gingen.
Wie zuletzt am Mittwoch suchten sie ihn heim in seinem eigenen Haus, schlitzten Matratzen auf, rissen Bilder von der Wand, auf der Suche nach Geld oder Tresoren. Vier Mal ist das in diesem Jahr bereits passiert. Meistens verschwanden die Täter danach. Unerkannt. Oder aber sie misshandelten den Essener in zwei Fällen schwer – wie jüngst in der Nacht zum 7. August oder am 13. April 2007, als sich Manfred B. und Ludger S., 52 und 45 Jahre alt, unter dem Vorwand, eine Wohnung im Haus des damals noch 78-jährigen früheren Bauunternehmers mieten zu wollen, Zugang verschafft hatten.
Brutales Duo wurde zu mehrjährigen Gefängnisstrafen verurteilt
Im Keller zeigten die Männer dann ihr wahres Gesicht, sprühten dem Senior Reizgas ins Gesicht, schlugen ihn zu Boden, fesselten ihn und schlossen die Türe ab, bevor sie mit 1000 Beute flüchten konnten. Ihre Tage auf freiem Fuß waren jedoch gezählt, Ermittler kamen ihnen schnell auf die Schliche. Etwa ein halbes Jahr nach ihrer Festnahme bekamen die Komplizen bereits die juristische Quittung: Die VI. Strafkammer des Landgerichts verurteilte das brutale Duo zu neun beziehungsweise achteinhalb Jahren Gefängnis.
Ob die „zwei bis drei Räuber“, genauer kann Otto S. das nicht sagen, die ihm am Mittwoch auflauerten, für ihr Verbrechen ebenfalls verknackt werden können, ist allerdings noch offen. Von den Tätern, die unter anderem eine Brieftasche mit Geld erbeuteten, nachdem sie ihr Opfer gefesselt, geknebelt und bewusstlos geschlagen hatten, gibt es bislang keine heiße Spur, sagte Polizeisprecherin Bettina Wehram am Donnerstag.
Der Überfall spielte sich ab „wie in einem Gangsterfilm“
„So richtig wie in einem Gangsterfilm“, sagt der 90-Jährige, habe sich der Überfall abgespielt, bei dem er einen Zahn verlor, Prellungen und Schürfwunden erlitt. Die Unbekannten hatten die Kellertür aufgehebelt, nachdem sie feststellen mussten, dass Otto S. seine Haustür nach den vier jüngsten Einbrüchen hatte sichern lassen. Die Täter dürften ausbaldowert haben, dass der Rentner nicht zu Hause war. „Die wussten, dass ich nachmittags immer rausfahre“, ist der Senior überzeugt. Als er um kurz nach Mitternacht von seinem Ausflug in seinem Auto zurückkehrte, lauerten sie ihm bereits auf. Wahrscheinlich, sagt er, hatten sie wie sonst alles durchwühlt, nichts gefunden und sich gedacht: „Den packen wir dann mal anne Kehle.“
„Ich sah noch, dass eine Schublade aufstand“, erinnert sich Otto S., nachdem er die Tür aufgeschlossen hatte – dann ging alles ganz schnell: Die maskierten Männer griffen ihn an, warfen ihn auf den Boden, klebten ihm Panzerband über die Augen, fesselten seine Hände und verlangten 10.000 Euro. Dann bedeutete er seinen Peinigern, dass sie ihn ruhig umbringen könnten. Den Satz „Ich will nicht mehr leben mit 90“, er solle ruhig zustechen, quittierte einer der Männer mit einem Tritt ins Gesicht des älteren Herrn, der danach „den Toten markierte“.
„Ich weiß nicht, was das für eine Sprache war“
„Die haben dann tatsächlich den Puls gefühlt, ob ich noch am leben war und telefoniert“. Was da ge- und besprochen wurde, konnte Otto S. nicht verstehen: „Ich weiß nicht, was für eine Sprache das war.“ Wenig später verschwanden die Unbekannten. Der 90-Jährige wartete noch ein paar Minuten, „bevor ich mich aufgerafft habe“. Weil die Täter den Stecker seines Telefons herausgerissen hatten und er das Klebeband von seinen Händen nicht abbekam, rettete sich der Rentner schließlich zu seinem Nachbarn. Als die von dort alarmierte Polizei eintraf, waren die Ganoven bereits über alle Berge.
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Taten, wie die in der Nacht zum Mittwoch, sie hinterlassen Spuren. Manche helfen den Ermittlern, die Täter zu überführen, andere zeichnen die Opfer bis an ihr Lebensende. So wie Otto S., der sagt: „Ich hab kein Vertrauen zu keinem Menschen mehr.“