Essen. Im Bistum Essen bekleidete Günter Berghaus eine ungewöhnliche Doppelrolle: Er war Caritasdirektor im Ruhrbistum und zugleich Dompropst.
Als Essener Dompropst und Diözesan-Caritasdirektor machte der Prälat bundesweit Schlagzeilen. Seelsorge und Caritas gehören für ihn untrennbar zusammen. „Not und Armut müssen beim Namen genannt werden, vor allem deshalb, weil sich die Betroffenen selbst nicht verständlich machen können.“ Immer wieder hat Prälat Günter Berghaus diesen Satz betont. In der Nacht von Montag auf Dienstag (22. /23. Juli) ist der langjährige Essener Dompropst und ehemalige Diözesan-Caritasdirektor im Alter von 89 Jahren gestorben. Seelsorge und Caritas gehörten für ihn untrennbar zusammen.
Caritas-Arbeit zwischen Polenhilfe und HIV-Beratung
Seine Laufbahn als engagierter Caritasmann begann für den am 22. Dezember 1929 im sauerländischen Heggen geborenen und 1956 in Paderborn geweihten Priester 1970 als Mitarbeiter im Caritasverband für das Bistum Essen. Nach Abschluss des Studiums der Caritaswissenschaften in Freiburg kam Berghaus in die Chef-Etage des Essener Diözesan-Caritasverbandes. 1974 wurde er dessen Direktor.
Viele Initiativen und Modelle hat er in dieser Zeit angeregt. So etwa die Polen- und Osteuropahilfe der Caritas in den 1980er Jahren oder die Einrichtung der bundesweit ersten katholischen Beratungsstelle für HIV-Infizierte. Auch das Café Nachtfalter für Prostituierte in Essen geht auf seine Initiative zurück.
Neue Wege in der Flüchtlingspolitik beschritt Berghaus Anfang der 1990-er Jahre, als er gemeinsam mit der Landesregierung ein Modellprojekt für abgelehnte Asylbewerber in Skopje/Mazedonien umsetzte. Bei seiner Verabschiedung als Diözesan-Caritasdirektor würdigte ihn der langjährige Ministerpräsident und spätere Bundespräsident Johannes Rau als „einen Mann mit örtlicher Verwurzelung und weltweitem Horizont“. „Ohne Ihre Hilfe, ohne die Hilfe der Caritas, hätten wir den Bettelmarsch der Sinti und Roma politisch nicht verkraftet“, erklärte Rau. „Wir werden in Deutschland lange lernen müssen, dass man Fluchtursachen bekämpfen muss, nicht die Flüchtlinge.“
Bundesweit einmalig: Dompropst und Caritas-Chef in einer Person
Am 7. November 1993 wurde Berghaus als Nachfolger von Prälat Ferdinand Schulte Berge in seine neue Aufgabe als Dompropst in Essen eingeführt. Damit trat im Ruhrbistum Essen eine für die deutschen Bistümer einmalige Situation ein: Ein amtierender Diözesan-Caritasdirektor – der diese Aufgabe auch weiterhin wahrnahm – wurde Hausherr einer Kathedrale. Als Dompropst sah sich Berghaus schon bald vor die Aufgabe gestellt, die Grundsanierung des mehr als 1000 Jahre alten „Münsters am Hellweg“ zu organisieren. Im Januar 1999 entpflichtete der Bischof Berghaus von seinen Aufgaben bei der Caritas. Nach mehr als 27-jähriger Tätigkeit verließ damit einer der bundesweit profiliertesten Caritasvertreter die sozialpolitische Bühne. Das nächste große Projekt hatte der Prälat da bereits in Angriff genommen: eine neue Orgel für den Essener Dom. Im Herbst 2004 erklang die heutige Rieger-Orgel erstmals.
Die Bedeutung des Essener Domschatzes hat er stets hervorgehoben
Wichtige Ereignisse in der Ära Berghaus
In seine Amtszeit als Dompropst fielen die Bistumswallfahrt im Jahr 2000, die Feierlichkeiten zu „1150 Jahre Stift und Stadt Essen“ im Jahr 2002, die Einrichtung der Nikolaus-Groß-Kapelle 2004 und die Wahl des Trierer Weihbischofs Felix Genn 2003 zum dritten Bischof von Essen.
Nach der Vollendung seines 75. Lebensjahres am 22. Dezember 2004 trat Günter Berghaus als Dompropst zurück und lebte seitdem in Essen im Ruhestand.
Am Fest Mariä Empfängnis 2004 strahlten „Essen sein Dompropst“ und „Essen sein Schatz“ – die Goldene Madonna – um die Wette. Beide hatten dazu allen Grund: Die älteste Marienfigur der Welt war in frischem Glanz wieder für die Öffentlichkeit zugänglich, Prälat Günter Berghaus war sein letzter großer Coup als Dompropst geglückt. Die oft unterschätzte Bedeutung des Domschatzes hatte Berghaus schon zwei Jahre zuvor zur Wiedereröffnung der Essener Domschatzkammer in vielzitierte Worte gefasst: „Als man sich in Berlin noch mühte, die märkischen Sümpfe trocken zu legen, da brannte hier in Essen bereits der Siebenarmige Leuchter. Und als man in München die bayerischen Wälder rodete, da trug man hier die Goldene Madonna schon durch die Straßen.“
Seelsorge nach den Terroranschlägen von New York
Berghaus war nicht nur „Manager“ einer Kathedralkirche, sondern von ganzem Herzen Priester, Seelsorger. Nach den Terroranschlägen von New York vom 9. September 2001 öffnete er den Dom, war einfach da als Ansprechpartner und Zuhörer für fassungslose Menschen, darunter sehr viele Kinder und Jugendliche.