Essen. In Essen startet im Herbst ein stadtweites Kurs-Angebot für Eltern, die getrennt sind. Es geht darum, wie Kinder trotzdem gut unterstützt werden.
In einer beispiellosen Aktion haben sich mehrere Sozial-Institutionen in Essen zusammengetan, um ein neues, stadtweites Kurs-Angebot für getrennte Eltern auf die Beine zu stellen. In drei Stadtteilen startet im Herbst eine Kurs-Reihe für Mütter und Väter, die nicht mehr zusammenleben: „Kinder im Blick“. Angesprochen sind Eltern, die trotz der schwierigen Situation das Wohl ihres Kindes oder Kinder so gut wie möglich sicherstellen wollen.
Etwa 1000 Ehen in Essen werden pro Jahr geschieden. Vor zehn Jahren waren es noch rund 1500. Doch das hilft den Betroffenen wenig: „Bei einer Trennung erreichen die Betroffenen einen Stress-Level, der fast so hoch ist wie der tödliche Verlust eines nahen Angehörigen“, sagt Martin Verfürth, Sozialarbeiter im „Familienraum“, einer Beratungs-Einrichtung des Diakoniewerks in Borbeck. „Vor allem Kinder“, sagt Verfürth, „erleben die Trennung von Mutter und Vater als Katastrophe, sind innerlich zerrissen.“
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Kinder verstecken oft ihre wahren Gefühle
Das Diakoniewerk, die Familienberatung des CSE (Caritas) sowie das Jugendpsychologische Institut der Stadt Essen starten gemeinsam ein Kurs-Angebot, das es so bislang in keiner anderen Ruhrgebiets-Stadt gibt: In den Stadtteilen Bochold, Südostviertel und Steele beginnen im Herbst siebenteilige Seminar-Reihen, in denen die Väter und Mütter sensibilisiert werden auf die Gefühle ihrer Kinder – und wie man auf sie achtet: „Was sind die Bedürfnisse und die Emotionen des Kindes? Sie sind nicht immer einfach zu erkennen oder zeigen sich versteckt“, sagt Verfürth. Das könne plötzliches Schulversagen oder völliger Rückzug sein, und Wut-Ausbrüche über vermeintlich harmlose Anlässe gehören auch zu den Symptomen, die erst mal verstanden werden wollen.
„Bei einer Trennung der Eltern ist die Gefahr groß, dass das Kind völlig in den Hintergrund gerät, weil die Erwachsenen zu sehr mit sich selbst beschäftigt sind.“ Wichtig sei, den Gefühlen des Kindes „Raum zu geben“, wobei das nicht bedeutet, dass man sich als Erwachsener völlig vernachlässigen soll.
Nicht schlecht über den Ex-Partner sprechen
Was Kindern auf keinen Fall gut tut, wenn Väter und Mütter getrennte Wege gehen: „Dass Elternteile die Kinder instrumentalisieren im Kampf gegen den Ex-Partner – sei es durch Schlechtmachen des Anderen, oder indem man Kinder benutzt, um den früheren Partner auszuspionieren.“ Wer gegenüber seinen Kindern schlecht über den Ex-Partner spricht, schwächt auch immer das eigene Kind: „Denn das Kind identifiziert sich immer mit beiden Elternteilen.“
Das Angebot richtet sich an Väter und Mütter, deren (räumliche) Trennung bereits vollzogen ist. Wenn beide Elternteile den Kurs besuchen möchten, können sie das in unterschiedlichen Gruppen tun – keinesfalls soll das Seminar Raum geben für Rosenkriege oder Vorwürfe.
Die betroffenen Kinder, um die es geht, sollten übrigens mindestens drei Jahre alt sein – zumindest das älteste Kind in einer Familie. Die ehemaligen Partner sollten außerdem nicht in juristische Konflikte verwickelt sein, und beide Elternteile sollten regelmäßig Umgang haben mit dem Kind. „Wir verstehen das Angebot als Eltern-Coaching, das den Kindern helfen soll, wieder stärker wahrgenommen zu werden“, sagt Verfürth.