Frohnhausen. Essens älteste Realschule hat ihren 100. Geburtstag gefeiert. Ehemalige Lehrer berichten, was sich in den letzten Jahrzehnten verändert hat.
Die Realschule Essen-West ist in diesem Schuljahr, das an diesem Wochenende zu Ende geht, 100 Jahre alt geworden. Essens älteste Realschule möge „auch künftig die Vielfalt der Schüler gut meistern“. Das wünscht sich Schulleiterin Rita Numsen-Williams zum Jubiläum, das mit einem Festakt und einem großen Fest feierlich begangen wurde.
Weniger trigonometrische Funktionen, mehr Dreisatz
Winfried Henkel war knapp 40 Jahre Mathe-, Physik- und Informatiklehrer an der Realschule Essen-West, erst im vergangenen Jahr ging er in Pension, und er erinnert sich an seine ersten Tage im Jahr 1980: „Ich musste direkt lernen, dass ich mit hochtrabender Mathematik, wie ich sie an der Uni gelernt hatte, hier falsch war.“ Weniger quadratische Gleichungen, mehr Flächen-Berechnung. Weniger trigonometrische Funktionen, mehr Dreisatz. „Wobei klar ist“, ergänzt Henkel, „dass wir hier viele Schüler immer auch aufs Gymnasium vorbereitet haben, auch wenn wichtig ist, dass die Schüler das Wissen lernen, das in den Betrieben später gefragt ist.“
Die Schule startete als „Mittelschule für Knaben“
Die Hälfte der Absolventen jedes Zehner-Jahrgangs macht mittlerweile weiter, strebt einen höheren Schul-Abschluss an, geht auf eine Gesamtschule, ein Berufskolleg, ein Gymnasium. „Das war in den Achtzigern noch anders“, erinnert sich Henkel: „Da war eine Lehrstelle Standard.“
Die Schule startete als „Mittelschule für Knaben“, bezog nach dem Krieg ein Volksschulgebäude an der Mülheimer Straße. Dort ist die Realschule Essen-West noch heute. Nachdem schon 1922 auch Mädchen hinzukamen, wurden die Geschlechter im Jahr 1961 wieder getrennt – an der Kerckhoffstraße gab es jetzt eine Realschule für Mädchen, die heutige Berta-Krupp-Realschule. 1974 kamen Mädchen und Jungen dann wieder zusammen.
„Die Ablenkung durch Smartphone ist spürbar“
Zu den größten Herausforderungen der Schule zählen sicherlich große Themen, die überall an den Schulen eine Rolle spielen: Migration, Inklusion und neue Medien. Schulleiterin Rita Numsen-Williams sagt: „Die Ablenkung durch Smartphones ist spürbar.“ Die Schule steuert dagegen: Vor drei Jahren stellte man den ersten Schul-Sozialpädagogen ein; heute arbeiten fünf davon an der Mülheimer Straße. Man setzt konsequent seit Jahren auf die „Kultur des Lobes“ – einmal im Jahr gibt es einen Festakt für Schüler, die besonders gut sind oder sich stark engagiert haben, oder die ihre Leistung deutlich verbessern konnten. Ältere Schüler helfen jüngeren bei den Hausaufgaben, es gibt Streitschlichter-Programme, und das beste Mittel gegen zu viel Medien-Einfluss und Unkonzentriertheit: „Praktische Aufgaben“, sagt Numsen-Williams, „bei denen die Jugendlichen schnelle, ungeahnte Erfolgserlebnisse haben. Das wirkt sehr.“
Letztendlich ist also das weiter gültig, was schon vor 25 Jahren, beim 75. Geburtstag der Schule, ein ehemaliger Lehrer in die Fest-Chronik schrieb: „Möge sich die Schule weiter bemühen, eine solide, auf Wissen und Leistung gegründete Allgemeinbildung zu vermitteln.“ Die Herausforderungen, das weiß man, sind seitdem nicht weniger geworden. Und doch: „Die Schule hält uns jung“, sagt der pensionierte Lehrer Winfried Henkel. Gemeinsam mit seinem früheren Kollegen Franz Nießen, der von 1994 bis 2014 Kunst unterrichtete, kommt er noch wöchentlich an die Mülheimer Straße, um Arbeitsgemeinschaften für die Schüler zu leiten. Wenn Lehrer auch nach ihrer aktiven Dienstzeit noch gerne und regelmäßig an ihre alte Wirkungsstätte kommen, ist das kein ganz schlechtes Zeichen.
Ersten Jahrgang mit Inklusion jetzt verabschiedet
Die Schule öffnete sich im Jahr 2012 auch für Kinder mit besonderem Förderbedarf, also Schüler, die eigentlich auf eine Förderschule (früher Sonderschule) gehen müssten.
Die „Inklusion“, wie sie genannt wird, wird an vielen Regelschulen praktiziert. Die Realschule Essen-West hat in diesem Jahre ihre ersten „Inklusionsschüler“ verabschiedet: „Bei der Hälfte der Inklusionsschüler“, sagt Rita Numsen-Williams, „konnte der Förderbedarf aufgehoben werden.“