Essen. Der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club (ADFC) fordert eine Wende in der Essener Verkehrspolitik.
Der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club (ADFC) bezeichnet die jüngst veröffentlichten Zahlen zum Mobilitätsverhalten der Essener als besorgniserregend. Obgleich seit vielen Jahren von einer dringend erforderlichen „Verkehrswende“ die Rede sei, müssten Essens Radfahrer ernüchtert zur Kenntnis nehmen, dass der sowieso schon exorbitant hohe Anteil des Autoverkehrs nochmals angestiegen ist.
Die repräsentative Befragung im Auftrag der Stadt hat ergeben, dass der Anteil des Autoverkehrs am so genannten
„Modal Split“, also den prozentual ermittelten Anteilen der verschiedenen Verkehrsarten, seit 30 Jahren nahezu unverändert hoch bei über 50 Prozent liegt.
Zwar ist auch der Anteil des Radverkehrs größer geworden, wie der ADFC feststellt. Dieser verharrt aber im bundesweiten Vergleich nach wie vor auf besonders niedrigem Niveau. „Und das in einer Stadt, die sich offiziell als ,fahrradfreundlich’ bezeichnet“, heißt es kritisch von Seiten der Radfahrer-Lobby.
Besonders erschreckend erscheine in diesem Zusammenhang der starke Rückgang des Fußgängerverkehrs, während der ÖPNV nach wie vor auf ebenfalls relativ niedrigem Niveau verharrt. „Für eine Großstadt ein Armutszeugnis“, urteilt der Jörg Brinkmann, Sprecher des ADFC Essen.
Das Fahrrad-Hauptroutennetz ist auch nach 24 Jahren noch nicht fertiggestellt
„Schaut man sich die Verkehrspolitik in Essen der letzten 15 Jahre an, muss man feststellen, dass der Autoverkehr entgegen vielfach propagierten verkehrs- wie umweltpolitischen Bekenntnissen eher noch weiter hochgepäppelt wurde. Als Beispiele seien genannt die Fertigstellung der A44 im Essener Süden sowie der Bau des völlig überdimensionierten Berthold-Beitz-Boulevards, dessen Weiterführung aktuell weiter vorangetrieben wird“, so Brinkmann.
Besonders befremdlich erscheine zudem die Aufrechterhaltung des uralten Ratsbeschlusses für den Bau der Nord-Süd-Autobahn A52 mitten durch den dicht besiedelten Essener Norden. „Angesichts dieser immer noch anhaltenden Priorisierung des Autoverkehrs darf man sich nicht wundern, dass dieser in Essen entgegen landläufiger Trends immer noch zunimmt“, so Brinkmann.
Beim Radverkehr gelte es festzustellen, dass seit der Ernennung Essens zur „fahrradfreundlichen Stadt“ im Jahr 1995 viele wirklich positive Entwicklungen oftmals gleich wieder im Keim erstickt oder nicht konsequent weiterverfolgt wurden. „Das seinerzeit beschlossene Hauptrouten-Konzept ist selbst nach 24 Jahren immer noch nicht fertig gestellt. Zudem besteht es vielfach aus zu schmalen Radwegen oder Radfahrstreifen, die an kritischen Stellen häufig unterbrochen werden oder gleich gänzlich enden. Dass dieser Umstand nur wenige Menschen zum Umstieg aufs Fahrrad bewegt, liegt auf der Hand“, kritisiert Brinkmann.
Vom Ziel der Grünen Hauptstadt hat sich Essen nach Ansicht des ADFC verabschiedet
Die Prämisse laute bislang oftmals, dass dem Radverkehr nur dann ausreichend Platz eingeräumt werde, wenn dem Autoverkehr dadurch keine Einschränkungen widerfahren. Am mangelhaften Fortschritt beim Radverkehr in Essen haben aus Sicht des ADFC bislang auch etliche wohlmeinende Absichtserklärungen und Förderprogramme nur wenig ändern können. Selbst von dem anlässlich des zurückliegenden Grünen Hauptstadtjahrs propagierten Ziel, den Anteil des Radverkehrs bis 2020 auf elf Prozent zu steigern, habe sich die Stadt inzwischen verabschiedet. Laut Befragung liegt der Anteil bei nur sieben Prozent und damit nur um zwei Prozentpunkte höher als 2011.
Der ADFC drängt auf einen Paradigmenwechsel in der Verkehrspolitik. Auch die Inanspruchnahme von bislang als absolutes Tabu geltenden Autofahrspuren gehöre dazu.