Essen. Essener Behörde will ein Spezialistenteam zur Unfallaufnahme auf die Beine stellen. Unfallorte sollen so akribisch untersucht werden wie Tatorte.

Kommen Menschen im Verkehr zu Schaden, werden Unfallorte zu Tatorten – und entsprechend akribisch will die Essener Polizei die Spurenlage auf den Straßen in Zukunft auch behandeln: Nach Informationen dieser Zeitung plant die Behörde, ein so genanntes Unfallaufnahmeteam aus rund einem Dutzend Beamten auf die Beine zu stellen. Die neue Taskforce in Kommissariatsstärke soll schwere Crashs mit neuen personellen, aber auch technischen Möglichkeiten genauer dokumentieren, um das Geschehene besser aufklären und gerichtsfester machen zu können.

Am Mittwoch soll im Düsseldorfer Innenministerium der Startschuss für das neue Projekt fallen. Voraussichtlich im Herbst soll das VU-Team nach einer mehrmonatigen Schulung rund um die Uhr in der Stadt im Einsatz sein.

Und über Mangel an Arbeit werden sich die voraussichtlich zwölf Spezialisten, von denen bis zu vier der Behörde zusätzlich zugeteilt werden, kaum beklagen können. Denn zuletzt zählte die Polizei in Essen nicht nur mehr Verkehrsunfälle insgesamt, sondern auch mehr Verunglückte, die mehr schwere Verletzungen davon getragen haben, während vier Menschen im vergangenen Jahr ihr Leben verloren. Mit 2160 Personen verunglückten 62 mehr, 172 davon waren Kinder, 306 Senioren und 374 Radfahrer. Dass gleich 92 der verunglückten Radler schwere Verletzungen erlitten, war eine Größe, die deutlich auf die Gesamtzahl der Schwerverletzten durchschlug: Die nahm um 23 auf 386 Fälle zu.

Das Aufnahmeteam wird rund um die Uhr im Einsatz sein

Das VU-Team soll genau diese Unfälle mit Toten, mit Schwerverletzten, mit Unfallfluchten, bei denen Menschen zu Schaden kamen, und möglichst auch alle Unglücke mit Kindern ganz genau in den Blick nehmen. Tag und Nacht können die Beamten des Wach- und Wechseldienstes, die in der Regel als erste vor Ort sind, ihre Kollegen alarmieren.

Das Aufnahmeteam, das ständig in Rufbereitschaft sein wird, verfügt über einen Einsatzwagen, der ausreichend Technik an Bord hat, um den Unfallort akribisch aufzunehmen: Dazu gehört unter anderem ein Laser-Scanner, mit dem das Geschehene binnen kürzester Zeit dreidimensional und präzise festgehalten und rekonstruiert werden kann. Das Gerät soll sich bereits im Bestand der Essener Polizei befinden, die bislang darauf angewiesen war, im so genannten Monobildverfahren einzelne fotografische Segmente einer oft sehr komplexen Spurenlage mittels Computer zu einer Gesamtskizze zusammenzufügen – was nicht nur zeitaufwendiger, sondern auch ungenauer als das 3-D-Verfahren ist.

Polizei will weitaus tiefere Bestandsaufnahmen bei Unfällen leisten

Hinter dem ganzen Projekt steht die erklärte Absicht der Polizei, weitaus tiefere Bestandsaufnahmen bei schweren Unfällen zu leisten, als das bislang der Fall war. Ermitteln in einer Mordkommission nach einem Kapitaldelikt mindestens vier, manchmal auch mehr als ein Dutzend Beamte, wurden die tödlichen Verkehrsunfälle bislang vergleichsweise vernachlässigt, heißt es im Präsidium.

Das soll sich ändern: Denn gibt es Opfer des Straßenverkehrs, geht es wie bei Gewaltverbrechen ebenso um die Frage von Täter und Opfer. In jedem einzelnen Fall steht womöglich eine schwere Straftat im Raum. Bei Unfällen sind es meist die fahrlässige Körperverletzung oder die fahrlässige Tötung, deren Hergang lückenlos aufgeklärt werden will. Damit dies auch nach der detaillierteren Unfallaufnahme möglichst verlustfrei geschieht, soll die Bearbeitung eines jeden Einzelfalls künftig in einer Hand bleiben. Was heißt: Die Spezialisten des VU-Teams nehmen die Unfälle nicht nur auf, sondern bearbeiten sie auch, bis sie die Akte zur strafrechtlichen Bewertung an die Staatsanwaltschaft weitergeben, um am Ende die Schuldfrage klären zu lassen.