Essen. Als kleines Kind erlitt Jelson (9) aus Angola schwere Brandverletzungen, die schlecht verheilt sind. Nun ist der Junge in Essen operiert worden.
Für Dr. Daniel Tilkorn war es eine Operation, für den neunjährigen Jelson womöglich eine Weichenstellung fürs ganze Leben. Der kleine Junge aus Angola erlitt bei einem Unfall lebensgefährliche Verbrennungen, die in seinem Heimatland nur dürftig behandelt wurden. Jelson überlebte, schwer gezeichnet und mit einer verkrüppelten linken Hand. Eine Hand, der Daniel Tilkorn nun ihre Beweglichkeit zurückgab.
Tilkorn ist Oberarzt an der Klinik für Plastische, Rekonstruktive und Ästhetische Chirurgie, Handchirurgie am Alfried-Krupp-Krankenhaus in Essen-Steele. Als solcher hat er nun repariert, was vor Jahren in Jelsons Heimatland versäumt worden ist. „Der Junge war vier oder fünf Jahre alt, als in der Hütte seiner Großmutter eine Spiritusbrenner oder eine Petroleumlampe explodierte und ihn verbrannte.“ Im Wortsinn wie der Chefarzt der Klinik, Dr. Jörg Hauser ergänzt: „Gut 70 Prozent der Körperoberfläche waren verbrannt, besonders betroffen waren Gesicht, Oberkörper und Arme und Hände.“
Viele überleben solche Verbrennungen nicht
In Europa hätte ein Patient wie Jelson sofort eine Hauttransplantation erhalten. „Dort lässt man das einfach heilen“, sagt Hauser. Für einen Mediziner sei es schwer sich vorzustellen, wie man Verbrennungsopfer im Krankenhaus liegen lässt, ihnen nur Schmerzmittel gibt und abwartet, dass die Haut heilt, „während die Fliegen durchs Zimmer schwirren“, sagt Tilkorn. Er hat das erlebt bei Einsätzen in Tansania und Niger, und er hat in diesen Ländern auch die Folgen dieser Behandlungsmethoden gesehen. „Die meisten überleben das nicht, weil sich ihre Wunden infizieren.“
Bei den anderen wuchert das Narbengewebe und zieht die Haut zusammen, die Narbenplatten werden so hart, dass sich die Gelenke nicht mehr bewegen können. Weil in Afrika vielerorts noch am offenem Feuer gekocht wird, sieht man oft Menschen mit solchen Wunden: Den einen ist das Kinn so am Hals festgewachsen, dass sie kaum essen können. Andere haben deformierte Hände mit Fingern, die krallenartig verkrümmt sind.
Er hat schon Fußball auf dem Klinikflur gespielt
Jelson ist mit solchen Händen groß geworden. Und er hatte das Glück, dass seine Hände eines Tages jemanden vom Verein Placet auffielen, der vor allem plastische Operationen für Terroropfer organisiert, meist in Berlin. Jörg Hauser und Daniel Tilkorn machten in Absprache mit der Leitung des Krupp-Krankenhauses nun eine Operation in Steele möglich, nach der Jelson am Dienstag (25. Juni) mit eingegipster linker Hand und guter Laune im Krankenbett sitzt. An die Schmerzen damals nach dem Unfall kann er sich nicht mehr erinnern. Er erzählt, dass er gern zur Schule geht und noch lieber Fußball spielt: Ronaldo sei sein Lieblingsspieler. In Jelsons Bett liegt ein Fußball, den er schon im Klinikflur getestet hat. Eine Flasche ist dabei zu Bruch gegangen. Jelson weiß, dass es Schlimmeres gibt.
Bis vor kurzem stand seine linke Hand im rechten Winkel nach oben, festgezurrt durch die straffen Narben. Daniel Tilkorn hat die Narbenplatte weggeschnitten und durch gesundes Gewebe aus Jelsons Oberschenkel ersetzt, die Blutgefäße mussten unter dem Mikroskop angenäht werden. Jelson kann bald entlassen werden, wird einige Male zur Kontrolle nach Steele kommen und noch eine kleine Nachoperation erleben. Es ist eine spenden-finanzierte Basisbehandlung: Ein deutscher Kassenpatient erhielte noch 20 bis 30 OPs, bis seine Hand wieder voll beweglich sei. Jelson werde 80 Prozent der Beweglichkeit zurückerhalten, versprechen die Ärzte. So könnte er später zum Beispiel mal einen handwerklichen Beruf ergreifen, seinen Lebensunterhalt allein bestreiten.
Ein Jahr lang ist er von der Familie getrennt
Es ist ein großes Geschenk, das er mitnehmen wird, wenn er zu seiner Familie zurückreist. Ansonsten müsse man sensibel sein, die Kinder nicht mit Dingen überschütten, sagt Jörg Hauser, schließlich gehe es später wieder zurück in ihre Heimat. Jelson wird ein Jahr lang in Deutschland sein, bis er seine Familie wiedersieht. Er lebt in dieser Zeit im Friedensdorf International in Oberhausen, wo die Ehrenamtliche Janette Reinisch ihn einmal die Woche besucht, mit ihm in seiner Muttersprache Portugiesisch spricht, sein Heimweh mildert. Offenbar gelingt das recht gut: „Anfangs hat Jelson nicht gesprochen“, erzählt sie. „Inzwischen hört er gar nicht mehr auf.“