Essen. Joe Jackson beehrt auf seiner „Four Decade“-Tour die Essener Lichtburg. Fans feiern begeistert seine Erfolge aus vier Jahrzehnten.
Als Joe Jackson vor drei Jahren das letzte Mal in der Lichtburg auftrat, da zeichnete sich schon eine Vorliebe des Briten und Wahl-Berliners für das Essener Traditionskino ab. Es sei doch viel besser, in einem Filmtheater zu spielen, als „in einem Kasten, der für Basketball oder ähnliches gebaut ist“, ließ sich der 64-Jährige damals vernehmen. Und was will jemand, der sich doch eher als ein die Dunkelheit liebender Vampir bezeichnet, auch in einem grell ausgeleuchteten Stadion? Vampirisch gesehen war die Mittwochnacht in der proppevollen Lichtburg natürlich eine heiße Herausforderung. Doch selbst als die Luft auf der Bühne so knapp wurde wie die sommerlichen Blutreserven beim DRK, legte der blasse Mann mit dem schlohweißen Haar da oben noch drei Zugaben hin – um ein restlos begeistertes Publikum nach knapp zwei Stunden in die Nacht zu entlassen.
Zuvor hatten die zumeist eingeschworenen Jackson-Fans den Sänger und Songschreiber auf eine Reise durch vier Jahrzehnte begleitet. „Four Decade“ heißt auch seine aktuelle Tour, die mit einem ungemein druckvollen „One More Time“ und dem Mitsing-Hit „Is She Really Going Out With Him“ gleich mitreißend losging. 1979 kam Jacksons Debütalbum „Look Sharp“ heraus. Mit „Fool“ hat der Musiker vor kurzem sein mittlerweile 20. Album vorgelegt. Und dass seine Musik so wenig in die Jahre gekommen ist wie der Künstler selbst, der seine klugen, kritischen und hoch emotionalen Songtexte vom E-Piano aus so kraftvoll und energetisch, so zornig und zärtlich in den Saal schleudert wie eh und je, das belegt diese Songtour mit Kostproben aus allen Jahrzehnten eindrucksvoll.
Führende Rolle als Klang-Chamäleon
Frühe Erfolge sind an diesem Abend dabei wie „Sunday Papers“, „I’m The Man“, „It’s Different For Girls“ oder das groovende „Goin’ Downtown“ vom 1991er-Album „Laughter and Lust“. Dazu kommen jüngere Werke wie das eigenwillig-hymnische „Ode To Joy“ vom „Fast Forward“-Album und gleich mehrere aktuelle Titel. Der vom Punk angetriebene Song wie „Fabulously Absolute“, druckvoll und zornig wie eh und je, oder das lustvoll-tänzelnde „Fool“ mit Samba-Einlage. Als Narr mit den zwei Gesichtern belegt Joe Jackson auf „Fool“ einmal mehr seine führende Rolle als Klang-Chamäleon, das immer wieder neue Nischen im Schubladen-Schrank des Musikgeschäfts findet.
„Alchemy“ heißt der Titelsong, den Joe Jackson gleich zum Auftakt spielt und später noch einmal zum Ausklang. Aus – pardon – Scheiße Gold zu machen, das sei eben Sache der Künstler, frotzelt der Mann im korrekten Sakko und Oberhemd. Aber die Kunst der Verwandlung liegt bei Jackson doch eher darin, seine melodieverliebten Songjuwelen nie an den bloßen Mainstream zu verraten, sondern ihnen mit feinen Dosen von Punk und Reggae, Jazz, Funk und Soul immer wieder neue, eigenwillige und frische Klangfarben abzugewinnen.
Einsatz für Glockenspiel und Drum Machine
Ein bisschen nostalgisch darf es an diesem Abend aber auch werden, den Jackson zusammen mit seinen grandiosen Musikern gestaltet, die den Ausnahmemusiker schon vor 40 Jahren begleiteten. Wie Bassist Graham Maby, der irgendwann das gute, alte Glockenspiel bedient, während Gitarrist Teddy Kumpel am Keyboard steht und Schlagzeuger Doug Yowell die Original Drum Machine anknipst: Voilà, der Sound der 80er ist wieder hergestellt, um das unsterbliche „Steppin Out“ auf die bei einem Konzert noch nie gehörte originale Art zu spielen. Heiterer Ausklang einer fabelhaften Konzerts, das vom Publikum frenetisch gefeiert wurde.