Essen. Wolfram Söderberg (81) simuliert seit Jahren Krankheiten - im Dienste der Wissenschaft. Den Schauspieler hat das Uniklinikum Essen engagiert.

Blass liegt Wolfram Söderberg auf dem Spezialbett im Krankenzimmer. Der alte Mann im blau gestreiften Schlafanzug klagt über heftige Schmerzen im Bauch. Ängstlich schaut er zu Sana Kurz (31), die ihn vorsichtig abtastet. Doch Wolfram Söderberg hat Glück. Denn er ist nicht ernsthaft krank, sondern mit seinen 81 Jahren der älteste Simulationspatient am Essener Universitätsklinikum.

Am dortigen Lehr- und Lernzentrum setzt die Medizinische Fakultät der Universität Duisburg-Essen sogenannte Simulationspatienten zur Ausbildung ihrer Studenten ein. So können die angehenden Ärzte den Umgang mit ihren künftigen Patienten schon vor dem Ernstfall in geschütztem Rahmen am „lebenden Objekt“ trainieren. In dieser Funktion sind bis zu 80 Profi- und Laienschauspieler, sowie engagierte Privatleute ganzjährig im Einsatz.

Sana Kurz, die im 10. Semester ist und eine Laufbahn im Bereich Orthopädie und Unfall-Chirurgie anstrebt, schätzt diesen Aspekt ihrer Ausbildung sehr: „Diagnosen in der Theorie stellen können wir alle. Aber mit unseren Simulationspatienten in verschiedenen Altersklassen lernen wir, auch schwierige Situationen zu meistern. Diese Übungen geben mir Selbstvertrauen.“ Dieses bestätigt auch ihre Kommilitonin Ann-Kathrin Schörding (27, 9. Semester): „Mir ist besonders die Gesprächsführung mit den Patienten wichtig. Denn gerade das Überbringen sehr schlechter Diagnosen muss man proben. Und Simulationspatienten wie Herr Söderberg geben uns auch das entsprechende Feedback.“

Seit sieben Jahren schon „Simulant“ am Uniklinikum

Für Sanas „Senior-Patient“ ist sein Einsatz in erster Linie eine Herzenssache: „Ich habe selber eine Rücken-Operation hinter mir und oft die richtige Ansprache bei meinen Ärzten vermisst. Hier wünsche mir mehr konkrete Erklärungen. Deshalb möchte ich meinen Teil dazu beitragen, dass die Studenten den richtigen Umgang mit Kranken üben können.“ Als mir ein Freund von diesem Projekt erzählte, habe ich mich sofort gemeldet. Nun ist der rüstige Rentner aus Witten bereits seit sieben Jahren an der Essener Uniklinik dabei und kommt auf bis zu zehn Einsätze jährlich. Da steht natürlich auch der Spaßfaktor beim leidenschaftlichen Hobbyschauspieler - er engagiert sich seit 1995 auf der Studio-Bühne in Essen-Kray - ganz oben: „Ich spiele grundsätzlich sehr gerne und bin eine richtige Rampensau!“

Wo man sich bewerben kann

Seit mittlerweile 15 Jahren werden Simulationspatienten an der Essener Uniklinik eingesetzt. Sie üben ihre Rollen mit einer Theaterpädagogin ein und bekommen 13 bis 23 Euro Aufwandsentschädigung pro Stunde. Interessenten ab 18 Jahren können sich auf der Homepage der Universität Duisburg-Essen bewerben: www.uni-due.de/med/simulationspatienten

Über so viel Begeisterung freut sich Angelika Fritz (42). Die Neurochirurgin ist ärztliche Leiterin des Simulationspatientenprogramms und fasst zusammen: „Unsere Studenten arbeiten in 15 Fachbereichen – darunter Allgemeinmedizin, Urologie, Augenheilkunde oder Psychiatrie – mit Simulationspatienten. Sie sind ein fester Bestandteil im Unterricht, sowie bei den praktischen Prüfungen zum Ende des Semesters. Gerade bei einem Teilnehmer im fortgeschrittenen Alter können wir auch den Aspekt der Demenz in den Unterricht einfließen lassen.“

Und auch Wolfram Söderberg hat sich seinen nächsten Einsatz schon im Kalender notiert. Er spielt im Oktober für den Fachbereich Psychologie einen alkoholkranken Politiker mit Leberproblemen und schmunzelt: „Diese Rolle hatte ich hier bereits gefühlte 100 Mal.“