Essen. Der Rat für kulturelle Bildung hat eine bundesweite Studie zur Nutzung von Youtube veröffentlicht: Die Plattform ist zum Lernen immer wichtiger.
Einen besseren Zeitpunkt hätte sich der Rat für kulturelle Bildung wohl kaum für die Veröffentlichung seiner Youtube-Studie aussuchen können. Während Deutschland über die politische Sprengkraft des Videos von Youtuber Rezo diskutiert, legen die Kulturwissenschaftler erstmals bundesweit repräsentative Zahlen zum Nutzungsverhalten Jugendlicher vor. Damit belegen die Experten nicht nur, dass die Plattform für 86 Prozent der Jugendlichen zwischen 12 und 18 Jahren längst ein Leitmedium ist.
Über den Rat für kulturelle Bildung und die Studie
Der Rat für kulturelle Bildung ist ein unabhängiges Beratungsgremium, das sich mit der Lage und Qualität kultureller Bildung in Deutschland befasst. Ihm gehören Mitglieder an, die unter anderem Bereiche wie Tanz- und Theaterpädagogik, Musik- und Literaturvermittlung, politische Bildung und Pädagogik repräsentieren.
Finanziert wird die Arbeit durch sieben verschiedene Stiftungen, darunter die Deutsche Bank-, Robert Bosch- und PwC-Stiftung sowie die Stiftung Mercator.
Die repräsentative Studie „Jugend / Youtube/ Kulturelle Bildung“ wurde vom IFAK Institut in Taunusstein umgesetzt. Dafür wurden bundesweit 818 Jugendliche befragt.
Die Zahlen zeigen auch, dass Youtube beim Lernen eine immer wichtigere Rolle spielt. So nutzt gut die Hälfte der Schülerinnen und Schüler Youtube für den Unterricht, etwa bei Hausaufgaben oder zur Vorbereitung auf Prüfungen. Der Rat der kulturellen Bildung, dem hochrangige Pädagogen und Kulturwissenschaftler angehören, fordert entsprechend, das Medium in der Schullandschaft nicht länger zu ignorieren. Auch im Unterricht müsse man sich kritisch mit Influencern und deren Glaubwürdigkeit auseinandersetzen, fordert etwa Thomas Krüger, Präsident der Bundeszentrale für politische Bildung: Medienkritik sei auch Teil der Medienbildung in der Schule. Damit drückt er auch den Wunsch ein Großteils der befragten Jugendlichen aus: 60 Prozent wünschen sich im Unterricht eine kritische Auseinandersetzung mit Youtube-Videos und der Plattform insgesamt.
Lücke zwischen analoger Welt Schule und digital bestimmter Freizeit zu groß
Die Lücke zwischen der vorwiegend analogen Welt Schule und der digital bestimmten Freizeit der Jugendlichen sei zu groß und müsse verkleinert werden, empfiehlt auch Margrit Lichtschlag vom Vorstand des Rats für Kulturelle Bildung e. V.: „Die Schülerinnen und Schüler machen da keinen Unterschied. Für sie gehört das Lernen mit Videos längst zum Alltag.“ Das Lernen mit Webvideos müsse als Chance zur Weiterentwicklung begriffen werden, so Lichtschlag weiter.
Dabei verschweigt die Studie nicht, dass es vor allem Themen wie Gaming, Mode, Beauty, Singen und Tanzen sind, die die Mädchen und Jungen auf Youtube elektrisieren. Die Clips regten die Jugendlichen stark an, selbst aktiv und kreativ zu werden. Dabei vermischten sich die Genres immer mehr, probierten sich die Jugendlichen gerne aus. Entsprechend müssten sich neben den Schulen auch die Kulturinstitutionen stärker mit digitaler Gestaltung auseinandersetzen, schlussfolgert die Studie.
Digitalpakt: Volkshochschulen, Bibliotheken und Musikschulen fordern Teilhabe
„Im Digitalpakt Schule wurde die Priorität auf die Ausstattung in den allgemein bildenden Schulen gelegt. Dies (...) greift aber insgesamt zu kurz“, kritisiert etwas Matthias Pannes, Bundesgeschäftsführer des Verbandes deutscher Musikschulen. Auch außerhalb von Schule müssten Kinder und Jugendliche ein Angebot vorfinden, dass ihnen ein „zeitgemäßes Lernen und Aneignen von Welt“ ermögliche. Aus diesem Grund fordern Volkshochschulen, Bibliotheken und Musikschulen von der Bundesregierung, ebenfalls Mittel aus dem Digitalpakt nutzen zu können.
Dass Youtube weit mehr ist als die von vielen Erwachsenen oft immer noch belächelte Plattform zur Selbstdarstellung, stellt Prof. Benjamin Jörissen, Lehrstuhlinhaber für Pädagogik an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, klar: „Wenn die Studie eindrucksvoll zeigt, dass und wie Jugendliche mit und auf Video-Plattformen leben, lehren und lernen, dann verweist sie nicht zuletzt auch auf erhebliche Wissenslücken und Lernbedarfe. Allerdings nicht der Jugendlichen, sondern der Erwachsenen.“
Das sind die spannendsten Zahlen der Youtube-Studie