Essen. Mit seiner Forderung, die bundesweit rund 80 Babyklappen abzuschaffen, hat der Deutsche Ethikrat jetzt eine leidenschaftliche Debatte ausgelöst. Der Sozialdienst katholischer Frauen (SkF) hält das Angebot für verzweifelte Mütter, die man anders nicht erreicht, für unverzichtbar.

Mit seiner Forderung, die bundesweit rund 80 Babyklappen abzuschaffen, hat der Deutsche Ethikrat jetzt eine leidenschaftliche Debatte ausgelöst. In Essen, wo es seit dem Jahr 2000 ein Babyfenster gibt, mag man der Argumentation des Gremiums nur bedingt folgen. „Die Aussage, dass solche Einrichtungen mit hoher Wahrscheinlichkeit kein Leben retten, halte ich für gefährlich“, sagt der Geschäftsführer des Sozialverbandes katholischer Frauen (SkF), Björn Enno Hermans.

Zahl der Kindstötungen nicht zurück gegangen

"Babyfenster ist unverzichtbar"

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    Der Ethikrat hatte argumentiert, die Zahl der Kindestötungen sei seit Einführung der Babyklappen nicht zurückgegangen. Wahrscheinlicher sei, dass das anonyme Angebot zusätzliche Findelkinder produziere. „Die Version von der Drive-In-Klappe, an der sich Mütter leichtfertig ihrer Babys entledigen, glaube ich nicht“, sagt Hermans. „Zumal die Frauen auch das Risiko auf sich nehmen müssen, ihr Kind allein zu gebären.“

    Um sichere Aussagen über die Mütter und ihre Motivation zu treffen, sei die Datenlage zu dünn, meint Hermans. Niemand könne sicher sagen, wie sie gehandelt hätten, wenn es das Babyfenster nicht gegeben hätte. „Wenn von den zehn Säuglingen, die hier in neun Jahren abgegeben worden sind, nur einer mit dem Tod hätte rechnen müssen, hat sich das Angebot bewährt.“

    Nur eine einzige Aussetzung in Essen

    In Lebensgefahr könne ein Neugeborenes schließlich auch geraten, wenn es im Freien ausgesetzt und zu spät gefunden werde. „Und seit der Einrichtung des Babyfensters hat es in Essen nur eine einzige Aussetzung gegeben“, betont Hermans. Er meint den kleinen „David“, der im August in der Nähe eines Gemeindezentrums gefunden wurde.

    In einem Punkt folgt Hermans indes der Argumentation des Ethikrates: Jedes Kind habe ein Recht, seine Herkunft zu kennen. Den Müttern, die ihr Kind ins Babyfenster legen, fällt darum ein in acht Sprachen verfasster Brief in ihre Hände, der sie über Hilfsangebote und eine mögliche Kontaktaufnahme zu ihrem Kind informiert. Eine der zehn Mütter habe bereits anonym geschrieben und ihre Lage geschildert, andere hätten sich telefonisch gemeldet.

    Vertrauliche Abgabe gesetzlich erleichtern

    Leider gebe es aber für die Kinder, die in Pflege- oder Adoptivfamilien aufwachsen, keinen Weg, ihre leiblichen Eltern ausfindig zu machen. „Noch sind sie nicht alt genug, aber in der Pubertät werden sie nach ihren Wurzeln fragen“, weiß Diplom-Psychologe Hermans. Darum sei das Babyfenster nur als „ultima ratio“ für Mütter, die man anders nicht erreiche, unverzichtbar. „Alle Alternativangebote, die der Ethikrat empfiehlt, haben wir längst.“ Es gebe ein Tag und Nacht besetztes Telefon, den Adoptiv- und Pflegekinderdienst, Schwangerenberatung sowie Mutter-und-Kind-Einrichtungen.

    Für hilfreich hält Hermans den Vorschlag des Ethikrates, die vertrauliche Abgabe von Kindern gesetzlich zu erleichtern. Demnach sollten Mütter zunächst anonym bleiben dürfen; erst nach einem Jahr würden ihre Daten ans Standesamt weitergeleitet. Das würde Frauen in einer Zwangslage Luft verschaffen - und den Kindern einen Schlüssel zu ihrer Herkunft geben.